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 Betreff des Beitrags: Szenenplanung Nr. 1 - Sam Raiden
BeitragVerfasst: Mi 31. Mai 2017, 11:33 
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Registriert: Di 30. Mai 2017, 08:06
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#01
Sie ist 8 Jahre alt, als ihre Mutter und sie das Dach über dem Kopf verlieren. Sam erinnert sich nicht an viel, aber die Fahrt an der nächtlichen Küstenstraße entlang, in dem holprigen Taxi, mit dem verrauchten Wageninneren ist etwas, dass sie nie wieder loslässt. Das Rauschen der Wellen, dass sie sich ausmalt, das Lied, das ihre Mutter leise vor sich hersummt, während der Fahrer dann und wann wachsame Blicke in das Wageninnere durch den Rückspiegel wirft.
Als sie in Blackpool ankommen, schmeckt Sammie das Salz in der Luft und riecht das herannahende Gewitter. Als ihre Mutter ihr sagt, sie solle schonmal vorgehen und bei Oma klingeln, sie käme gleich nach, tut sie das. Doch als ihre Großmutter die Tür des Bed & Breakfast öffnet, ist ihr Blick grimmig und unnachgiebig. Und als Sam sich umdreht, um nach ihrer Mutter zu sehen, sieht sie das Taxi wegfahren – und ihre Mutter nie wieder.

#02
Während andere Kinder Nachmittags ausziehen, um am Strand zu spielen, putzt Sammie die Dielen des Eingangsbereichs auf dem Boden, denn es ist selten genug geworden, dass das Bed & Breakfast komplett besucherfrei ist und das ist ein Umstand, den ihre Grandma und sie immer ausnutzen – eine Putzfrau ist zu teuer und wollen sie sich nicht leisten. Während das Radio blechernd einen momentanen Hit schmettert, beginnt Sammie leise zu singen und dabei lächelt sie, denn Singen ist das einzige, was ihr noch von ihrer Mutter geblieben ist, mit der sie eine sorgenfreie, so lustige und fröhliche Kindheit verbindet. Doch Singen ist verboten in dem Haushalt ihrer Großmutter und als ihre Großmutter sie erwischt, schlägt sie ihr den Besenstil auf dem Rücken kaputt, um ihr einen Gefallen zu tun, denn der Teufel hat bereits die arme Seele ihrer Mutter geholt – Sammie solle dafür sorgen, dass ihr nicht dasselbe passiert. Singen ist verboten.
Und ab dem Tag an singt Sammie nur noch heimlich.

#03

In der Schule ist Sammie ein Außenseiter. Weil sie so dürr ist, wird sie von den Mädchen gehänselt, die schon weitaus weiblicher sind, lange, bevor Sammie sich den ersten BH kauft; von den Jungs wird sie deshalb gehänselt, weil sie so wild und furios ist und sich nichts gefallen lässt, denn es macht ihnen Spaß sie zu provozieren und es macht noch mehr Spaß zu sehen, wie sie sich der Sache entgegensetzt.
An diesem einen Wintertag wird Sammie das erste Mal von dem Neuen verteidigt. Levi heißt er und durchgefallen ist er. Er hat blondiertes Haar und gilt deshalb als besonders gefährlich unter den Gleichaltrigen; weil er Nietenarmbänder trägt und zerrissene Jeans hat und sich dafür gar nicht versteckt. Die Schüler meiden Levi, aber Levi doesn’t give a fuck. Levis Laune trübt sich nicht und lässt sich davon nicht beeinflussen, und als er ihr lachend anbietet, dass sie sich ja in Chemie zusammentun können, wenn sie da auch so eine Niete ist, wie er, und ihr die Hand reicht und sich vorstellt, weiß und erkennt Sam, dass sie hier einen Freund fürs Leben findet.

#04
Levi und Sam verbringen die Pausen gerne auf dem Schuldach, von wo aus sie dem Treiben des Meeres zusehen. Levi hat, ganz aktuell, einen tragbaren Kasettenspieler, für den er lange nebenher arbeiten gegangen ist und weiht Sammie in die Welt des Rock’n’Roll ein; in die verblassende Magie der 60er und stellt ihr neue Künstler vor – Künstler, die eine wildere Richtung in das neue Jahrzehnt der 70er gehen. Und Sammie ist genauso davon beeindruckt, wie Levi. Er erzählt ihr, dass er schon länger Gitarre spielt und dass er eigentlich ganz gut ist. Er erzählt ein bisschen genant, als würde er sich ein wenig schämen, aber der selbstbewusste Levi ist gar nicht immer so selbstbewusst, wie er es angibt und die Pflegefamilie, in der er groß wird, ist ähnlich konservativ wie Sams Großmutter.
Doch Sam ist begeistert – und beichtet ihm auch eine Kleinigkeit. Nämlich dass sie gerne singt. Und als Levi sie auffordert, ihm was vorzusingen, ist es das erste Mal, dass Sammie sich traut, die Heimlichkeit hinter sich zu lassen. Und als sie sich der Vormittagssonne entgegenstellt und sich das Herz aus der Lunge singt, singt sie sich in Levis Herz.

#05
Während Sam sich weiterhin tapfer mit durchschnittlichen Noten durch die Oberstufe beißt, hat Levi Probleme mit der Pflegefamilie. Sie wollen ihn nicht mehr, heißt es und er gerät in Gefahr, woanders zu landen und woanders kann im Jargon auch bedeuten, dass es überall in England sein wird, nur nicht in Blackpool. Die Behörden wären bereits involviert und Sam ist sauer mit ihm, weil er nicht eher etwas gesagt hat, weiß aber auch, dass es in dieser Hinsicht absolut nichts gibt, dass sie ihm abnehmen kann, um es ihm leichter zu machen.
Sam kann mit Verlusten nicht umgehen, nicht seitdem ihre Mutter sie auf der Schwelle stehen ließ und sich nie wieder meldete und Sam hat Angst; Angst um Levi, klar, aber noch mehr Angst um sich. Vor dem, was bleibt, wenn Levi gehen muss, weil sie weiß, dass es nicht viel sein wird. Und deswegen tut sie das, was sie am besten kann – sich abzunabeln und vor Levi zu verschließen, denn es ist besser, denkt sie, wenn sie die Rahmenbedingungen neu steckt, bevor er einfach verschwindet und sie da steht – verwundet, mit blutendem Herz, aber alleine.
Aber ein Leben ohne Levi ist trist und langweilig und scheint sinnlos zu sein. Sam hinterfragt zum ersten Mal ihre Gefühle für Levi, denn Sam weiß, dass sie mittlerweile längst in einem Alter ist, in dem nicht nur Küsse, sondern auch mehr auf dem Programm stehen; in dem Autofahrten, Pierbesuche und Open-Air-Kinos-mit-Heimfahren mehr bedeuten können, als nur das. Sie weiß, dass sie Levi liebt, auf ihre eigene Art und Weise, aber sie erkennt auch, dass es freundschaftlich ist und nicht mehr – aber das sie für Levi durchaus mehr sein könnte. Und dieser Gedanken beschäftigt sie.
So oder so, beschließt Sam aber etwas zu tun, was sie bisher nie getan hat – zu kämpfen. Doch als sie an der Tür seines Zuhauses klopft, ein Ort, den sie selten genug besucht hat, schlägt man ihr die Tür vor der Nase zu und sagt ihr, dass er längst gegangen wäre und auf dem Rückweg ist Sam deshalb dumpf, traurig und verzweifelt. Und natürlich wütend auf sich selbst. Sie sucht den Rückzugsort des Meeres – und findet Levi unter einer schwach glimmenden Laterne, bepackt mit einem großem Jutesack und seiner Gitarre.
Es wäre alles gut. Er wäre ohnehin bald volljährig und niemand zwingt ihn zu irgendetwas. Er kann in der Zwischenzeit bei einem alten Freund unterkommen, den er im Heim kennengelernt hat. Bei Blake.

#06
Da Sam weder Adresse noch Telefonnummer hat, ist es Levis Anruf, auf den sie wartet, und als er das tut, ist es spätabendlicher Anruf, den sie nur deswegen wahrnehmen kann, weil ihre Großmutter im Garten nach der Tomatensaat sieht.
Er klingt fröhlich und ausgelassen; Musik wummert im Hintergrund, die Geräuschkulisse bezeugt eine Feier – eine von vielen, wie er berichtet – und schwärmt von Lytham, schwärmt von Blakes Bude und schwärmt vor allem von der Musikszene. Hier gäbe es so viel; hier würde eine nächste Generation heranreifen und die Stadt hätte so viel Energie. Sie hätten vor, Blackpool zu erobern; hätten vor all das in die City zu bringen.
Sam fühlt sich ausgeschlossen und spürt diese Eifersucht in sich herankeimen, die sie nur kennt, wenn es um Levi geht – bis Levi berichtet, haargenau, wie er das für ihre Band geplant hat. Immerhin hätte nur Sams Stimme diese Macht, die Leute Blackpools für sich zu gewinnen. Sams Herz macht einen Hüpfer. Levi berichtet, dass er einen Schlagzeuger gefunden hat – Bradley – der etwas älter, aber grundsätzlich ein cooler Typ sein soll.
Als Sam sich nachts auf das Dach zum Rauchen schleicht ist sie glücklich und dankbar.

#07
Mit viel Vorbereitung kann Sam ihre Großmutter dazu überreden, dass der anstehende Wochenendtrip nach Lytham St. Anne eine Schulsache ist; sie bezahl sogar Georgina Reed dafür, um bei ihr Zuhaue anzurufen und ein einstudiertes Telefonat abzuhalten, um die Sachlage zu untermauern – und nachdem ihre Großmutter vom großen Bildungsauftrag ausgeht, stimmt sie zu, hat aber die Bedingung, dass Sam sich Freitag wie Samstag zur Abendessenszeit meldet und Rücksprache gibt. Sam sieht darin zwar eine blöde Fügung, aber kein Hindernis und stimmt zu. Sie kommt mit ein paar Umwegen in Lytham St. Annes an, weil sie das Busgeld sparen will und per Anhalter fährt. So kommt sie der ländlichen Gegend etwas näher – am Busbahnhof empfängt sie Levi, dem sie in die Arme fällt. Er riecht nach Zuhause.
Es wäre ein kleiner Schuppen, eigentlich nichts Besonderes, versichert ihr Levi, doch nachdem sie ihre Tasche am Busbahnhof in einem Schrank eingesperrt haben und sich auf dem Weg zur Party machen, hat Sam im Gefühl, dass mehr hinter den Worten steckt und soll recht behalten. Kleiner als Blackpool zwar, hat Lytham eine viel aktivere Szene, fällt ihr auf; eine, die sich nicht zwingend hauptsächlich um die Piers und den Strand dreht, auch wenn Sam gerade diese Nähe zum Meer liebt. Aber hier in Lytham gibt es laute Straßen; es gibt bunte, grelle Lichterketten und Mädchen in zu kurzen Röcken und hohen Schuhen, starkem Makeup und lautem, mutigen Lachen – und Absteigen, ganz viele, in denen das Leben pulsierend zu ihr herangetragen wird.
Der Laden, den sie betreten, ist ein Punkschuppen – lockere Kleidung, lockeres Haar, Gelächter, Bier und wilde, nicht gerade melodiöse Musik. Levi schleppt sie an einen Tisch und dort lernt sie zum ersten Mal Bradley kennen – ein großer, bäriger Typ, mit Perlen in seinem langen Bart und einen hochgestylten Iro. Auch Logan sitzt mit am Tisch und fällt Sam sofort deshalb auf, weil er so attraktiv ist – lange Haare, eine ausgebleichte Strähne, ein Beanie, eine Zigarette und eine erste, wenn auch dezente Tätowierung an der Hand. Alexis ist auch dabei, die blonde, braungebrannte Traum eines jeden Mannes, der sie ist – und sie begrüßt Sam herzlich. Sie hätte ja schon so viel von ihr gehört.
Als Logan sich etwas aufrichtet und meint, dass „er“ kommt und dran ist, shiftet sich die Aufmerksamkeit zur Bühne und gemeinsam mit Levi und Alexis verlässt sie den Tisch; nur Logan und Bradley bleiben zurück. Dann sieht sie den Auftritt; sieht Blake, sieht und hört sein Gitarrenspiel und ist genauso gelähmt, wie sie fasziniert ist und als sich ihre Blicke treffen, entfesselt sich etwas Fiebriges und Mehr; etwas Ungekanntes und Sam weiß – das hier… das ist anders.

#08
Als Sam am nächsten Morgen aufwacht, tut sie es in einem fremden Bett, in TShirts und Boxershorts, die nicht die ihren sind und mit einer Gedankenlücke so groß, wie das London Eye. Sie macht gar keinen Hehl aus ihrer Panik, denn oh Shit, was hat sie da nur getan? Dass sie keinen Alkohol verträgt ist immerhin kein Geheimnis und trotzdem hat sie es getan. Ausschweifend. Who the fuck cares, wenn sie schonmal dem Wirkungskreis ihrer Großmutter entflieht, dann richtig. Aber jetzt sucht sie Levi und er ist nicht da – das Bettlaken neben ihr aber zerwühlt. Kurz geht sie etwas hektisch in sich – hat sie…? Fühlt sich aber alles noch normal an!
Gerade, als sie sich in diesem weitläufigen, aber kargen Appartment, mit den schwarzen Wänden und den unzähligen Postern und Bildern und Inspirationen daran umsehen will, immerhin wo SIND denn alle, nach der Party gestern, wird sich sie von Blake ertappt. Der dasteht. Mit zwei Tassen Kaffee, zerzausten, dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren und trägen blaugrauen Augen, die von schwarzen Kajal dezent verwischt sind. Sam ist genauso ertappt wie erschrocken und peinlich berührt. Immernoch sicher ist sie sich nicht und deswegen platzt es ihr ganz trampelhaft raus, dieses „Sag mal, haben wir?!“ woraufhin er lacht – was sie irgendwie verletzt. Was er versteht, aber sein „Gott, NEIN“ macht es irgendwie nicht besser. Am Ende gibt er ihr die Kaffeetasse und sie stapft auf den kleinen Balkon und grapscht sich eine Kippe.
Als er sich zu ihr gesellt, ist es immernoch awkward, aber irgendwie auch nicht. Sie findet ich ziemlich heiß und muss ihn immer wieder von der Seite her ansehen, denn in ihm liegt so eine… Wildheit, die sie noch bei keinem gesehen hat und immer nur in sich spürt. Sie fühlt sich ihm so verbunden.
Und als Blake sie fragt. „Und du singst also, hmn?“ ist da keine Unsicherheit und kein Genieren, keine halbgaren Antworten, die sich mit Ausflüchten paaren. Sam bejaht – mit einem Selbstbewusstsein und einer Erkenntnis, die sie tief erdet. Es fühlt sich richtig an, es endlich klar auszusprechen. Vor allem vor Blake.

#09
Sam ist eine andere, zurück in Liverpool. Sie weiß, was sie will und denkt wenig darüber nach, ob eine Zukunft in ihrem Wunsch, zu singen und das auf Bühnen, liegen kann. Sie weiß nur, dass ihr wenig natürlicher fällt, als genau das zu tun und dass sie sonst wenig mit ihrem Leben anzufangen weiß, ganz gleich, wie passabel ihre Noten sind. Sam bereitet sich darauf vor, ihre Großmutter damit zu konfrontieren, zieht das Gespräch aber nicht durch. Als ihre Großmutter von einem Arztbesuch kommt, bringt sie die verheerende Diagnose Darmkrebs im Endstadium mit sich – und das tilgt nicht nur Sams Träume, sondern erstickt sie auch in einem ganz besonderen Gefühl der Dunkelheit, denn wenngleich sie es nie leicht mit ihrer Großmutter hat, ist sie die einzige Familie, die geblieben ist.
Und Sam hat Angst davor, alleine zu sein.
Eine Woche vor Levis 18ten Geburtstag stirbt Sams Großmutter und Sam fällt in ein tiefes Loch der Depression. Sie ist überfordert damit, die Angelegenheiten des Bed & Breakfasts zu regeln, vor allem deshalb, weil sie selbst minderjährig ist, aber als Erbe des kleinen Hauses eingetragen ist und einen gesetzlichen Verwalter zugeteilt bekommt, der ein pain in the ass ist. Das Bed & Breakfast wird in ihrem Namen neu verpachtet und Sam darf in dem Obergeschoss weiterhin wohnen, wenn ihr danach ist – aber ihr ist nicht danach.
Sam packt ihre Habseligkeiten, die traurigerweise in eine einzige Kiste passen und nimmt sich ein Zimmer in einem Motel, nicht unweit von Strand und Schule, denn das ist das einzige das keine Fragen stellt – und lange dauert es nicht mehr, bis auch sie 18 wird, nicht wahr?
Aber als Sam sich häuslich einzurichten versucht, ist da nichts, kein Gefühl von Heimat oder Zugehörigkeit. Sam fühlt sich alleine. Sam fühlt sich verlassen. Und als Sam versucht, dieses Gefühl zu ersticken, in dem sie singt, will kein melodiöser Ton über ihre Lippen finden und sie bleibt erstarrt.

#10
Ein Tag nach Erreichen der Volljährigkeit steht Levi auf der Matte – bereit, Blackpool zu erobern. Und bereit, Sam aus dem Loch, in dem sie steckt herauszuziehen. Aber Sam macht es ihm nicht einfach. Schon immer mehr dünn, als schlank, ist sie zu dürr und auf die Frage hin, was sie eigentlich zu sich genommen hat, kann sie keine so rechte Antwort geben – wahrscheinlich Kaffee und Zigaretten. Also versucht er sie abzulenken; zieht sie mit in ein Diner, versucht sie mit einem traditionellen Frühstück aus der Reserve zu locken und erzählt ihr, dass er Pläne für eine Band gemacht hätte. Ob sie sich an Bradley erinnere? Sauguter Schlagzeuger, arbeite sogar oft hier und hätte Lust auf ein Engagement und wäre offen, zu sehen, wohin sich das entwickelt, bevor es sich in was auch immer entwickeln kann, und einen Bassspieler, den bräuchten sie ja nicht, immerhin hätten sie sie – Sam. Und Sam kann den Bass durchaus bedienen, durchaus auch gar nicht schlecht, sondern solide, wie Levi das gnädig beurteilt. Und mit Bradley hat Sam keine Probleme, denn sie mag Bradley. Mag, wie er über Musik redet und alles mit dem gebührenden Ernst annimmt und jeden so nimmt, wie er ist, ohne Vorurteile, egal wie alt.
Aber Levis Plan geht darüber hinaus – er will Blake hinzuholen. Und das regt etwas in Sam. Sie ist sich mit einem Mal unsicher. Levi weiß nicht wieso, aber wie könnte er es je verstehen? Blake brennt mit dem gleichen Feuer wie sie und momentan kann sie es sich nicht leisten, von seinem Feuersturm tilgen zu lassen, wenn alles, was sie zu bieten hat, klägliche Funken sind.
Sam lehnt die Band ab und hinterlässt einen schockierten Levi, den sie das erste Mal in ihrem gemeinsamen Leben sitzen lässt. Das Essen hat sie nicht angerührt.

#11
Sam macht ihren Abschluss und sie macht ihren Abschluss überraschend gut, nachdem sie die letzten Wochen nochmal hardcore reingepowert hat – etwas anderes, als zu lernen, gab es in ihrem Leben ohnehin nicht mehr, nicht wahr?
Obwohl sie eigentlich mit dem Chor länger darauf hinarbeitete, nach dem Abschlussprocedere gemeinsam mit der Schulband aufzutreten, muss jemand anderes einspringen. Sam will nicht singen. Sam kann nicht mehr singen.
Levi ist da, um den Abschluss gemeinsam mit ihr zu befeiern und auch, wenn es Sam längst noch nicht besser geht, tut es gut, ihn an ihrer Seite zu wissen. Doch als er zusammen mit Bradley UND Blake auftaucht, fühlt sie sich verraten und auf einen Wunsch reduziert, den sie ihm einfach nicht erfüllen kann und natürlich auch nicht will. Sam fährt ihn in aller Öffentlichkeit an und das nicht zu knapp und sagt, dass er sich verpissen und zum Teufel scheren soll – Levi bleibt etwas perplex zurück. Sam stürmt Nachhause, in dieses Shithole, dass das Motel doch ist.
Als es eine halbe Stunde später klopft, brüllt sie die Tür an, dass sie seine dumme Visage nicht sehen will – doch an der Tür ist nicht Levi. Sondern Blake. Und Blake sagt ihr, simple as that, was für eine Scheißfreundin sie ist und das Levi froh sein kann, sie loszuhaben. Das macht Sam nur noch fuchsiger und sie stürmt zur Türe und reißt das Ding auf und bohrt ihm den Zeigefinger in den Brustkorb und rät ihm, sich gefälligst um sein eigenes miserables Leben zu kümmern und das er den Mund zu halten hat; er wisse nichts, NICHTS über Levi.
Aber Blake weicht nicht zurück und Blake lässt das auch nicht einfach so über sich ergehen. Er stellt sich ihr entgegen und erinnert sie daran, dass Levi das letzte halbe Jahr sein Mitbewohner war und dass er ihn gut genug kennt um zu wissen, dass er ihren selbstsüchtigen Arsch liebe und dass er so eine beschissene Behandlung nicht verdient hätte und dass das mit ihrer Großmutter scheiße aber eben nicht zu ändern wäre; dass sie erwachsen werden solle. Sich entschuldigen sollte.
Aber Sam sieht rot. Blake kommt näher und näher und er drängt sie in das Zimmer zurück und er macht sie Wort für Wort für Wort nur noch fuchsiger, nur noch wütender, doch als er ihre Grandma in den Mund nimmt, kann Sam nicht an sich halten und schmiert ihm ein Paar. Und als er innehält, komplett perplex, kommt Ruhe in den Raum; sein Brustkorb bebt und Sam ist sich der Tatsache auf einmal gewahr, wie nah sie einander stehen. Er rät ihr, das sein zu lassen – sie reckt ihren Kopf und will nur wissen, was er dagegen zu unternehmen will? Er hat sie längst am Handgelenk gepackt und Sam versucht sich dieser zu entziehen, Doch Blake zieht sie mit einem Ruck an sich heran und Sam findet sich zu ihrer eigenen Überraschung in der Situation wider, dass sie es ist, die ihn küsst - mit einer Notwendigkeit dahinter, die ihr die Beine wegzieht. Aber das ist okay, Blake hält sie längst in ihren Armen und er hält sie fest. Und als er die Tür mit seinem Fuß zustößt, fühlt Sam sich das erste Mal seit Wochen wirklich sicher und geborgen – und gefunden.

#12

Das, was sie mit Blake hat, lässt sich schwer definieren und Sam weiß auch nicht, ob sie dazu in der Lage ist, es zu können, denn ein bisschen Angst hat sie davor. Sie fühlt sich lebendig mit ihm und er bringt sie zum Lachen, weckt aber auch in ihr das Bedürfnis mehr zu sein. Für ihn. Wegen ihm. Und sie weiß, wie gefährlich solche Gedanken sind, denn sie weiß, sie machen zu abhängig und gerade sie, hat sie sich geschworen, muss aufpassen.
Aber der Sex ist grandios. Und die Art und Weise, wie er sie küsst, scheint ihre Seele an all den richtigen Stellen zusammenzuflicken.
Sie treffen sich am nächsten Tag mit Bradley und Levi am Strand und Levi weiß sofort, was Phase ist. Und Sam rechnet mit vielem, aber nicht mit dem verletzten Ausdruck in Levis Augen, von dem sie weiß, dass er nicht von den Dingen herrührt, die sie ihm an den Kopf geklatscht hat. Sam entschuldigt sich – wissend, dass sie es nicht für die Worte tut. Dann kommen sie ins Gespräch und besonders Levi scheint erpicht darauf, das Thema zu wechseln. Sie wollen eine Band gründen – und Blake ist bereit, einzusteigen; Blake, der begnadete Gitarrist, mit dem Charisma scheinender Rock’n’Roll-Legenden, aber unter einer Bedingung. Er will wissen, worauf er sich einlässt. Will wissen, wen seine Gitarre begleiten wird; wer seinen eigenen Künsten Leben und Geist einhauchen wird.
Blake will, das Sam singt. Und als Sam den Mund öffnet, kommen Worte, die sich zu einer Melodie, einem Lied formen, das erste Mal seit Wochen und als ihre Stimme aufersteht, wie der Phönix aus der Asche, singt sie mit einer Notwendigkeit, die sich in das Gedächtnis der anderen brennt und ihnen vor Augen zieht, warum Levi Sam wollte.
Denn Sams Stimme ist dazu bestimmt, die Weltbühnen zu erobern.

#13
Sie nennen sich Fury und ganz so, wie der Titel verspricht, machen sie sich ein Programm, denn sie sind jung, sie sind alle talentiert und sie haben nicht vor, weiterhin auf Stadtfesten zu spielen und von irgendwelchen besoffenen Trotteln auf irgendwelchen dämlichen Hausparties als die neuen Stars gefeiert zu werden, nur um in deren Dunstkreis zu versinken.
Sie alle schieben kleine Nebenjobs und da Sam dank des Bed & Breakfasts ein paar bessere Nebeneinnahmen hat, ist es ihnen möglich, in Lytham einen festen Proberaum in einem größeren Jugendfreizeithaus anzumieten und das verlagert selbstverständlich alles ein wenig weg von Blackpool und bringt Sam in Kontakt mit einer neuen Welt, einer aufregenden Welt, in den Kontakt mit Blakes Welt und die ist aufregend und berauschend – und unfassbar musikalisch.
Sam trifft in dem Jugendhaus erneut auf Alexis und Logan und stellt fest, dass diese mit einer eigenen Band der zweiten Proberaum gemietet haben und als sie ihnen zuhört und lauscht, ist sie fast schockiert, wie gut Alexis‘ Stimme tatsächlich ist, wie kunstfertig Logans Bass, wie gut die Band generell miteinander harmoniert und spürt, wie die Konkurrenz in ihr hochdriftet. Sam weiß, dass sie etabliert sind, Sam weiß, dass die Band beliebt ist und gerade dabei, sich einen Namen zu machen. Und Sam weiß, obwohl sie Alexis‘ nett findet, dass eine Freundschaft mit dieser Frau etwas ist, das sie nicht zulassen kann, wenn sie selbst Fuß fassen mochte. Sie verurteilt sich dafür, verurteilt sich für den Neid, den sie verspürt, kann sich aber nicht helfen – vor allem auch nicht, wie sie sieht, wie gut sich Blake und Alexis‘ verstehen, wie ungezwungen sie miteinander umgehen und wie er über Alexis‘ Gesang redet. Denn sie will, dass er sie auch so sieht, auch so hört – und sie hat nur die Möglichkeit, sich dieses Gehört selbst zu generieren.
Im Proberaum zurück angekommen, macht Sam eine klare Ansage zu ihrer Qualität und das sie will, dass sie die Probeintervalle hochschrauben – Diskussion gibt es nur kurz von Levi, der Schwierigkeiten sieht, das mit seinem Job zu vereinbaren. Aber am Ende des Tages ist die Band wichtiger und er merkt, dass Sam nicht abweicht. Und als alle mitziehen, entfesselt sich Sam, ohne zu wissen, dass hier die Abwärtsspirale beginnt.

#14
Logan bietet ihnen an, in den anstehenden Sommerfestlichkeiten als ihre Vorband aufzutreten, was Sam ablehnt, ohne die anderen zu Rate zu ziehen und das führt natürlich zu einem Disput, denn während Levi und Blake diese Chance genutzt hätten, geht Sam lieber in Gefahr, überhaupt nicht aufzutreten, bevor sie es als Opening Act für diesen Kotzbrocken macht – denn Logan kann sie nicht leiden, wie unschwer zu erkennen ist, was auch daran liegt, dass Logan mit ihrer impulsiven und dominanten Art nicht zurechtkommt, die er gerne als kindisch, unprofessionell obendrein bezeichnet und die innere Stimme, dass Logan ihrem Traum immer ein paar Schritte näher ist, als sie selbst, umtreibt Sam oft.
Als Logan sie verlässt, gibt es eine ausgesprochen starke Auseinandersetzung, in der Sam sich von einer recht hässlichen Seite zeigt. Blake schweigt, ist aber bereit, sich an der Seite Sams FÜR Sam zu fügen und das macht sie erst recht wütend.
Als sie fertig sind und gemeinsam Nachhause laufen, offenbart er ihr, dass Logan ihn als Gitarrist für die Saison angefragt habe und dass er das abgelehnt hätte. Dass sie aufhören muss, Angst zu haben; dass sie aufhören soll, nach links und nach rechts zu sehen, dass sie aufhören soll, andere immer als Angriff zu betrachten und dass sie auf sie vertrauen soll, auf Fury, auf ihre Band, auf ihre Freunde, vor allem aber auch auf sie – und auf das „Uns“, das sie sich erarbeitet haben. Und das ist ein Versprechen, dass er ihr abnimmt. Und das sie ihm gibt. Widerwillig. Aber sie tut es. Womöglich tut sein Verrat später genau deswegen so unwahrscheinlich weh.

#15
Sie schaffen es nicht, einen Gig für die Sommerfestspiele und die damit verbundenen Auftritte zu sichern, da das Programm schon so lange voll ist und der Spot bei Logan von Sam abgelehnt wurde. Sam ärgert sich darüber, allerdings nur kurz, denn Levi weiß sie ziemlich gut aufzubauen, denn sie brauchen die Probezeit, sie brauchen mehr eigene Songs und sie brauchen Sichtbarkeit abseits dieser großen und vielen Bühnen, die sich nicht nur über Lytham, sondern auch über die anderen Seebäder, also auch Blackpool, erstrecken. Sie entscheiden sich dafür, die Festspiele zu genießen – und können Sam überreden, sich auch mal Logan und Alexis‘ anzusehen; mit viel Bier und guter Gesellschaft an den Sidelines und Sam schafft es sogar, den Abend zu genießen, gemeinsam mit ihrer Band, den Freunden, dieser Familie, die sie geworden sind und ist das erste Mal… einfach nur Mädchen, seit einer sehr langen Zeit.
Der Abschluss bildet das Riesenrad und als dieses kurz stockt und nicht weitergeht, führt sie Blakes Hand zwischen ihre Beine und zieht ihn zu sich.

#16
Sam gibt das Bed & Breakfast auf und verkauft es – für die Pächter ändert sich natürlich nichts, aber für Sam ist es ein wichtiger Schritt, denn es bindet sie nicht mehr an ihr altes Leben, dass sie zwar nicht vergessen, aber abschließen und hinter sich lassen möchte, auch wenn ihr das nur sehr schwer gelingt.
Als sie das Haus übergibt und sie sich verabschiedet, mit der Anzahlung in bar in den Händen und den Rest des Desposits auf ihrer Bank, lächelt Sam und verabschiedet sich von der Großmutter, die sie trotzdem geliebt hat, die sie trotzdem sehr geliebt hat, final und merkt, dass sie das endlich kann; dieses Loslassen.
Von dem Geld kauft sie sich ein aufreizendes, kurzes, abenteuerlich verrücktes Kleid und Netzstrumpfhosen dazu – die Verkäuferin schlägt ihr entsprechende Pumps dazu vor, doch Sam weiß, was sie will – und denkt an ihre Boots zuhause.
Sam ist glücklich und fühlt sich so frei, in diesem kurzen Kleid mit seinem atemberaubenden Rot, dass sie vorher nie tragen durfte und entscheidet sich dazu, die langen Haare abzusäbeln und genießt ein letztes Mal, wie die Brise des Meeres ihr durch eine lange Strähne fährt und über ihre Stirn weht.
Nach einem faulen Vormittag am Strand um Kraft zu tanken, trifft sich die Meute im Bandraum, wo Blake die gute Nachricht überbringt – sie haben ihren ersten Gig außerhalb Lythams bei einer Battle of the Bands Veranstaltung, bei der zwölf weitere Bands auftreten. Das Ding ist verrückt, absichtlich konkurrierend und verspricht einen ganzen Tag voller musikalischem Kräftemessen – und als Sam mitbekommt, dass Logan auch mit am Start ist, sagt sie zu. Mit einem Gedanken an Alexis‘ Stimme schwört sie sich über den Zeitraum das Rauchen ab und pocht darauf, bis dahin mindestens fünf weitere Songs auszubauen und endlich fertigzustellen – da Blake und sie dafür die Grundbausteine liefern, nistet Sam sich über den Zeitraum bei Blake ein, bei dem sie ohnehin nahezu wohnhaft ist. Alles, was fehlt, ist das Offizielle daran. Und auch, wenn sie offiziell sind; auch, wenn es keinen Zweifel gibt, was zwischen ihnen beiden abläuft und stattfindet, so nehmen sie es nicht zwingend in den Mund, das haben sie nie so wirklich und obwohl Sam sich dabei ertappt, es schön zu finden, es sich zu wünschen, fast ein wenig zu sehnen, traut sie sich nicht, zu fragen, oder es anzusprechen. Das, was sie mit Blake hat ist zu besonders und die Angst, es damit zu sabotieren, ist immernoch präsent. Doch als er sie an der Hand hinter sich in die Wohnung zieht, lächelt sie und denkt sich, dass es doch genug ist. Eigentlich.

#17

Beim Battle of the Bands ist Sam zuversichtlich; sie ist eine Force of Nature, sie ist entschlossen und sie ist nicht nur bester Laune, sondern in absoluter Hochform. Dass sie nicht gewinnen ist nicht optional, sie hat die Konkurrenz schließlich ausgelotet. Niemand kann ihr was. Wieso auch? Die Lieder, die Blake und sie geschrieben haben, die sind solide und bereits in kleineren Gigs ausgetestet worden – wenn Blake immerhin nicht auf der Baustelle schuftet, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, da er keinen Schulabschluss besitzt, spielt er in kleineren Pubs Gitarre und singt. Sam sieht das zwar nicht so gerne, versteht aber, dass er den Nebenerwerb nicht abblasen will und auch nicht kann. Ihr Geld blasen sie schließlich in den Proberaum und stellenweise auch neues Equipment.
Am Ende werden sie Dritte – und verlieren gegen Logans Band, für die ich endlich mal einen Namen brauche, was Sam natürlich tierisch aufregt. Hier geschieht es aber das erste Mal, dass sie Alexis richtig wahrnimmt; in ihr nicht nur das blonde Püppchen mit der rockigen Soulstimme sieht, sondern eine Frontfrau – und Alexis, fern von unschuldig und zurückhaltend, hat die Massen im Griff, wie ein Profi. Sam sieht, wie Blake sie ansieht; hört quasi die Gedanken, mit denen er ihre Performance abmisst und beurteilt und fragt sich zum ersten Mal, was die beiden verbindet. Es ist nicht Eifersucht; sie vermutet keine romantische Beziehung, aber eine auf einer anderen Art und Sam… Sam fragt sich, ob sie Blake wirklich kennt.


#18
Auch wenn Battle of the Bands nicht so verlief, wie erhofft, hat es einen Nebeneffekt, der Fury durch die Decke steigen lässt – denn über Nacht haben sie sich quasi eine riesige Fanbase erspielt und die wollen mehr; mehr von Fury, vor allem aber mehr von Sam; der Sirene in dem roten Kleid, den Netzstrumpfhosen und den Boots, die die Bühne zu ihrem Zuhause gemacht hat. An einem Tag flattern gleich vier Gigaufträge ein und sie beschließen, dass feiern zu gehen – groß, in Gesellschaft, also tun sie sich mit Logans Band zusammen und gehen in ein Diner essen, danach feiern und tanzen und trinken.
Es ist Alexis, die Blake gratuliert – zu Sam, zu der Beziehung, die sie haben, und scherzt dann, weil sie ihn so noch nie gesehen hat, wann denn die Hochzeitsglocken läuten und als Blake Sam ansieht, mit dieser Wärme in den Augen und meint, dass er theoretisch nur auf seinen Kniefall wartet, keimt Panik in Sam auf, die sich von Levi nur zu bereitwillig zum Tanzen ziehen lässt. Als Levi sie auf der Tanzfläche lachend dazu befragt, was es damit auf sich hätte, wischt Sam das Thema mit einem „Gar nichts!“ beiseite, denn für sie ist es das, ein Garnichts, ein Nonexistent, denn sie will darüber nicht nachdenken. Und als Blake ihr mit seinen Blicken folgt und sie ansieht, schafft sie es nicht, seinen Blicken standzuhalten und flüchtet sich auch den Rest des Abends lieber an die Bar, um die Worte auszublenden, die verheerend in ihrem Kopf nachhallen.
Blake versteht natürlich, dass irgendetwas faul ist, und irgendwann taucht er bei ihr auf und schnappt sie sich und fragt sie, was los ist. Sie lacht und tut so, als wäre bestens, doch er gibt ihre Handgelenke nicht frei und dann sieht er ihn, diesen Schimmer in ihren Augen und bittet sie leiser, sanfter darum, bei ihm einzuziehen – und als der blanke Terror in ihr hochkommt, wird sein Blick zärtlich.
Sie solle keine Angst haben.

#19
Es fühlt sich seltsam an, Blackpool den Rücken zuzukehren und sich vollkommen in Lytham zu integrieren, aber Sam tut es. Nachdem sie ein langes, ruhiges Gespräch mit Bradley hatte, der sie schließlich alle am besten kennt, weiß sie, dass es nicht Blake ist, vor dem sie Angst hat, sondern dass es nach wie vor dieses alte Leben ist, dass an ihr nagt und das es ihre Chance ist, ihre Chance auf Glück, und das es unsinnig ist, sie nicht anzunehmen.
Bradley erzählt ihr von Blake aus der Kindheit; wie er war. Wie sein Leben war und dass das, was er für sie empfindet, gänzlich zweifellos ist. Sam bedankt sich mit einem Kuss auf die Wange und bemerkt, dass die Band zu ihrer zweiten Familie geworden ist. Und dass sie sich im Leben angekommen fühlt.
Sie verspricht sich selbst, achtsamer zu sein. Mit sich selbst – aber auch mit Blake.
Im Spätsommer zieht Sam zu Blake, in diese alte Dachwohnung, mit der gusseisernen Badewanne und dem kleinen Balkon, wo sie bereits vor einer gefühlten Ewigkeit das erste Mal Freiheit kostete.
Es fühlt sich gut an, den Namen auf dem Klingelschild anzubringen; es fühlt sich gut an, die Tasche auszupacken und zu verstauen und eine Seite des Schranks in Anspruch zu nehmen, denn viele Klamotten hat Sam nicht und viele Klamotten braucht sie auch nicht und als er sie in die Arme nimmt und nicht mehr freigibt, und sie angezogen zu sich in die Badewanne zieht, lacht Sam – und als sie das tut, lässt sie das Gewicht der Welt von ihren Schultern fallen. Sie küsst ihn und sie küsst ihn stürmisch und vergräbt ihre Hände in seinem Haar, ihre Nase in seinem Nacken, seinem Duft, seiner Essenz und flüstert ihm ein „Ich liebe dich. So sehr“ entgegen, dass sie sie in der Intensität in ihren eigenen Grundfesten erschüttern.
Sie schlafen miteinander in der Badewanne, dann im Bett, später auf dem Fußboden, auf dem sie einschlafen und erst mitten in der Nacht wieder aufwachen, Arm in Arm. Nachts stehen sie zusammen auf dem Balkon, eine Decke über sich gezogen und rauchen gemeinsam eine Zigarette und Sam betet, womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben, und bittet darum dass das nie aufhören möge.

#20
Als der Winter die Küste erreicht, haben sie sich eine Fanbase erspielt, die über das County hinausgeht und Sam blüht in der Geschäftigkeit auf. Die Gigs werden immer besser bezahlt, die Shows entsprechend größer – und mittlerweile kommen sogar Anfragen von Rookies rein, ob sie den Opening Act mimen dürfen. Sam ist auf Wolke 7, bleibt aber bodenständig – aber als an einem schneeverhangenem Abend eine Meute Fans darauf wartet, dass sie das Rockhaus verlassen, und sich um sie strömt, strahlt sie und weiß, dass sie auf einem guten Weg sind. Blake bekommt eine selbstgestrickte Mütze, Bradley sogar selbstgestrickte Handschuhe. Levi will recht traurig sein, bis ihm ein Mädchen einen Kuss und eine ganze Torte in die Handdrückt und als sie sich danach entscheiden, bei Bradley einzukehren, fallen sie über die Torte her, wie die Wilden.

#21
Der Winter ist von einem finanziellen Engpass für Blake gekennzeichnet. Er redet nicht zu sehr darüber, da Blake Geld nicht zu wichtig ist aber trotzdem hat er Miete, für die er aufkommen möchte und Verpflegung, für die er aufkommen muss – auch ohne Sams Hilfe, die eigentlich ein komfortables Leben leben könnte, mit dem Verkauf des Bed & Breakfast, es aber nicht tut, da sie spart.
Blake arbeitet hier und da, aber für jemanden wie ihn, gibt es selten irgendwo lange oder feste Arbeit, vor allem nicht im Winter, abseits des saisonalen Ansturm. Blake leidet nicht zwingend darunter, da Blake nüchtern und stets recht realistisch geblieben ist, aber weil er seinen Unterhalt erarbeiten muss, ist er für die Band nicht so abkömmlich, wie Sam das gerne hätte, denn gerade um Silvester herum sind sie für größere Gigs gebucht worden – einer davon sogar in Manchester – und sie möchte in absoluter Topform sein.
Als sie eine Magendarmgrippe erwischt, ist sie frustriert. Aber als sie bemerkt, das ihre Periode ausbleibt, wird sie panisch. Ist sie schwanger?

#22
Der Gig in Manchester ist nur einer als Vorband. Es ist Silvester und alle scheinen in Feierstimmung, bis auf Sam, die mittlerweile davon überzeugt ist, schwanger zu sein. Sie sind Teil einer mittelgroßen Entourage; die Band, für die sie den Opening Act gespielt haben, sind frisch unter Vertrag geraten, die ersten Anfänge der Punkszene sind hier deutlich zu spüren. Die Feier ist extrem wild; etwas, dass Sam in diesem Exzess noch nie erlebt hat, zumindest. Doch amüsieren kann sie sich nicht und bis Mitternacht warten will sie auch nicht, da sie einfach nur müde ist. Sam verzieht sich, vermeintlich heimlich, ins Hotelzimmer – aber lange alleine bleibt sie nicht.
Blake.
Er will wissen, was los ist. Dass bereits seit ein paar Wochen was ist. Es wäre Silvester, er würde den Raum nicht verlassen, bis er wisse, was abgeht.
Sam weigert sich und geht in die Defensive und das tut sie in ganz altbekannter Manier – des Angriffs. Blake lässt sich darauf nicht ein, aber als sie ihm entgegenschleudert, dass sie schwanger ist, also das denkt, überrumpelt sie ihn und er ist sprachlos.
Er ist behutsam; vorsichtig, das merkt man, aber Sam merkt auch, dass er es nicht schlimm findet und das macht Sam wütend. Er solle sich nicht freuen, sie würde sich bald darum kümmern, no way in hell kriegt sie ein Kind und das pisst Blake an, der nicht versteht, was daran schlimm oder furchtbar sein sollte. Klar, es käme nicht zu gelegen, aber fuck this, er ist auch groß geworden. Sam giftt ihn an, dass man ja sehen kann, wie gut das funktioniert hätte und das sie das einfach nicht will und versucht Blake damit absichtlich zu verletzen, was auch tatsächlich funktioniert. Er fragt sie, was es ist, was sie dann will und Sams Antwort ist messerscharf und tut so weh, aber ehrlich – mehr. Mehr als das. Und obwohl Sam sich auf den momentan Status der Band und ihr Bestreben bezieht, bezieht sie sich für einen Moment auch auf ihre Beziehung.
Und das verändert rückblickend so viel.

#23
Zurück in Lytham angekommen sucht Sam einen Arzt auf, der ihr berichtet, dass sie kein Kind erwartet. Sie wäre schmal – nicht dünn, dürr. Sie esse zu wenig und müsste ihrem Körper mehr Nährstoffe zuführen; hätte womöglich auch viel Stress, soetwas spiele mit rein. Zur Sicherheit verschreibt er ihr eine Pille. Danach macht sich Sam gleich auf in den Proberaum, nur um zu bemerken, dass Blake fehlt. Er müsse arbeiten, berichtet Bradley, der wie immer Bescheid weiß, und die Tatsache, dass er das nicht mit ihr abgesprochen hat, stört sie.
Doch zum Auslassen ist sie zu müde, viel viel viel zu müde. Stattdessen, nimmt sie die Situation so hin, aber bei der Probe macht sie viele Fehler was recht untypisch ist. Sam ist müde und der Streit mit Blake belastet sie.
Zuhause redet sie mit Blake. Es ist nicht so, dass er kein Interesse an der Band hätte, aber er kann das reale Leben nicht einfach so aufgeben. Sam appelliert an ihn – niemand wäre so talentiert, wie er; seine Gitarrenkünste eine Gabe, nicht einfach nur ein Talent. Blake lächelt, aber er lächelt trostlos und beteuert, dass ihm die Sache wichtig ist, aber dass er das Leben nicht beiseiteschieben kann. Sam akzeptiert das, trotzdem fragt sie ihn, ob sie es, als Band, eines Tages schaffen könnten; was er meint.
Und als er sagt „Eines Tages vielleicht, ja“ tut die Antwort so weh, als würde er einen Traum zerschlagen.

#24
Während eines gemeinsamen Barausfluges berichtet Levi, dass die Veranstalter des Frühlingsfestes bei ihnen angefragt hätte – für drei Termine. Und, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, wären Scouts unterwegs. Scouts aus London!
Sams Augen blitzen auf und das Herz schlägt schneller; dass sie zusagen, ist ja klar. Und Blake? Schiebt den Job bei der Umzugsfirma und stößt mit in die Vorbereitungen und das erste Mal seit langem hat Sam wieder das Gefühl, dass sie an einem gleichen Strang ziehen. In der Zeit leben sie von ihrem Geld und vertiefen sich gänzlich in der Musik. Blakes Kontakt zu Logan wird enger, auch wenn er nie lose war und manchmal hat Sam das Gefühl, dass sie in das, was die zwei Männer verbindet, nie einbrechen wird können und Sam weiß nicht, was sie davon halten soll. Manchmal hat sie das Gefühl, dass sie ihn gar nicht kennt, als wäre sein Gesicht zur Hälfte vom Schatten des Mondes bedeckt und als könnte sie ihn nie ganz erfassen. Sie erzählt Levi von ihren Gedanken und Bedenken das erste Mal am Telefon und Levi tut es ab, sogar lachend – Blake wäre ein harter Brocken, genau wie sie. Sie würden da schon gut zusammenpassen. Blake hatte es nur einen Zacken schwieriger, mit seinen alten Leuten und der kleinen Schwester und niemand weiß so richtig, was in ihm vorzugehen scheint. Bis auf Logan, murmelt Sam und Levi schweigt und sagt dann, Nah, dass Logan einfach nur so ein extrem empathisches Gespür für seine Mitmenschen hat. Dass er wisse, dass Sam ihn nicht leiden konnte, aber das Logan tatsächlich feinsinnig war und dass ihn dieser Feinsinn durch Blakes Barrikaden brechen ließ. Das Blake das manches Mal bräuchte. Sanftheit. Sam wäre zu hart. Sehr oft. Sie müsse aufpassen. Blake wäre dahingehend zerbrechlich.
Sam nimmt sich mehr Rücksicht vor.

#25
Sie hat mit einem Scout geredet! Einem echten Scout! Einem Scout für ein aufstrebendes Indielabel, ein Scout, dem ihr Sound gefällt, der an ihrer Energie interessiert ist! Sam ist aus dem Häuschen und treibt damit alle so ziemlich in den Wahnsinn – vor allem, als sich Wochen später niemand zurückmeldet, obwohl es hieß, dass es nicht lange dauern würde.
Dabei nimmt Sam das nicht wahr, was alle anderen schon längst verstehen. Dass der Scout sich nicht melden wird. Dass er sich nicht für sie entschieden hat. Und sie lassen Sam deshalb tigern und stromern, weil sie wissen, dass dieser Groschen für sie selbst fallen muss und auch wird. Beim Essen erwähnt Blake dann, dass Logan und Alexis längst Rückmeldung erhalten haben – und das zieht Sam natürlich ein bisschen den Boden unter den Fü0en weg. Sie merkt, wie Eifersucht in ihr hochkommt und keimt; schlimmste, niederträchtigste Eifersucht und sie hasst sich dafür, aber kann sich auch nicht helfen. Fuck. Sie hasst das!

#26
Blake geht.
Sam starrt ihn an. Der Abend war beschissen genug, aber das, was er sagt, kann und will sie trotzdem nicht fassen. Das ergibt keinen Sinn. Oder? Sie hört seine Worte, aber entzieht sich der Bedeutung. Was er sagt ergibt keinen Sinn und weil sie sich dazu entschließt, ist das so. Ende.
Logans Band hat ein Angebot von einem der größten Plattenlabel bekommen – Standort: USA. UK wäre nur ein Sublevel. Das Stichwort ist International. Das ist eine echte Chance und Logan möchte ihn mit an Bord haben. Und er möchte gehen. Es ist seine Chance.
Sam ist verwirrt. Ob sie nicht seine Chance wären, ob SIE nicht seine Chance wäre und wieso… nein, sie versteht das nicht. Aber Blake ist ehrlich. Und Blake ist deutlich. Seine Worte sind deutlich und sie furchen tief – zu tief. Fury ist noch nicht bereit; Sam ist noch nicht bereit und wenn er wartet… wird das vielleicht nie etwas für ihn. Er kann im Leben nichts. Er kann nichts, außer zu singen und Gitarre zu spielen und Sam merkt in diesem Moment, dass sie ihn noch nicht, noch nie singen hörte und ist schockiert aber auch erschüttert über diese Tatsache und weiß nicht, was sie sagen soll.
Sie versteht. In sich hineinhorchen versteht sie so gut. Trotzdem ist sie wie gelähmt. Sie kennt sein Gitarrenspiel, es gibt nichts, dass sie mehr beeindruckt, mehr vereinnahmt. Doch in seiner ungezwungenen, lässigen aber verschwiegenen Art hätte sie nie gedacht, dass das, was in ihr brannte, auch sein eigener Herzenswunsch sein könnte. Und sie verurteilt ihn zutiefst, dass er ihr das nie anvertraut hat.
Ihr wird schlecht. Er sagt ihr nicht, dass er sie liebt, das registriert sie, als sie seinen Blick spürt, der sie aufsaugt und dem sie deshalb zu entfliehen versucht. Er sagt ihr, dass er sie dabeihaben will. Bei sich. An seiner Seite.
Als Frau, als Mädchen im Hintergrund, nicht aber neben ihn, mit dem Mikrofon vor ihr, nicht so wie Alexis, die gelockte Frauenpower in ihren Glitzerkleidern und dem herausfordernden Blick. Er wollte sie für sich. Ganz alleine. Nur für sich.
Und Sam realisiert und weiß, dass sie nicht bereit ist, ihm das zu geben; sich selbst aufzugeben, für ihn, für diese Liebe, nicht im Anbetracht ihres eigenen Traumes. Sam lässt ihn stehen; stakst durch den Regen und findet Obdach bei Bradley, der überrascht ist.


#27

Levi ist mindestens genauso wütend, wie Sam das ist, trotzdem bewegt er sie dazu mit Blake zu reden, was Sam aber verweigert. Er weiß von den anderen, also Logan und Co. dass es bald nach London und dann weiter geht, aber Sam weiß nicht, was sie sagen und wie sie ihm gegenübertreten soll.
Sie redet mit Levi über ihre Gefühle, warum sie so enttäuscht ist, was sie sich erwartet hat und dass sie nicht weiß, was sie fühlen soll und als er sie soweit hat, mit Blake reden zu wollen, mit Blake reden zu müssen, findet sie nach einer Woche des Campens bei Bradley eine leere Wohnung vor. Sam bricht an Ort und Stelle zusammen und merkt nicht mehr, dass Levi an ihrer Seite auftaucht.
Alles, was Blake ihr hinterlassen hat, ist ein Zettel, kaum ein Brief, doch mit der weltenzerbrechenden Erkenntnis, dass er weg ist, bringt sie es nicht über sich, ihn zu lesen. Sie kann nicht. Sie will nicht. Sie weint in Levis Armen und fühlt sich verlassen, aber noch mehr verraten und hintergangen.

#28
Als Sommer ist, haben sie erneut diesen Gig bei den Battle of the Bands. Blake ist seit einer Weile weg und seitdem aus Lytham auch Logans Band, Alexis und die anderen verschwunden sind, ist die musikalische Landschaft dabei, sich zu verändern. Sam ist eine andere geworden. Stiller. Fokussierter. Und als sie backstage im Warteraum sitzen, fragt Levi Sam, ob sie ihn je gelesen hat, diesen Brief und Sam nickt. Er würde auf sie warten. Immer. Und sagt dann, als sie aufsteht, dass er Warten kann, bis er schwarz wird. Sie braucht ihn nicht. Und sie will ihn nicht. Nicht mehr. Vor allem nicht so.
Sie gewinnen das Battle of the Bands an diesem Abend und als Sam in die johlende Menge blickt, speien ihre Augen Feuer, als brüllten sie „Watch me, Blake.“


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Verfasst: Mi 31. Mai 2017, 11:33 


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