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 Betreff des Beitrags: Kapitel 04
BeitragVerfasst: Sa 12. Aug 2017, 09:22 
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Registriert: Di 30. Mai 2017, 07:06
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Ich habe es mir oft ausgemalt, wie es gewesen wäre, euch beide nebeneinander stehen zu sehen, die Hüften mit den Armen umschlungen, die Gesichter der Menge zugewandt. Sie, mit den goldblonden Locken und ihren aufreizenden Glitzerkleidern und du, mit dem dunkelbraunen Haar, in deiner Wolke aus Schwarz und Rot. Beide stolz, beide so unwahrscheinlich talentiert und zusammen eine Naturgewalt, welche die Szene nie hätte ignorieren können.

Das Bild fühlt sich falsch an und ist so irrelevant, dass ich mir blöd vorkomme; dass ich nicht weiß, warum es auch jetzt noch, vor allem an Tagen wie diesen, aufkommt und versucht, in meinen Gedanken zu spielen. Vermutlich, weil ich mich lange gefragt habe, ob die Dinge anders gekommen wären, wenn du nicht so eifersüchtig auf sie gewesen wärst. Wenn du dazu in der Lage gewesen wärst, das Angebot von Freundschaft zu erkennen und anzunehmen, wie sie es dir gemacht hat.
East of Eden sei das wahre Konzept gewesen, das reden sie heute noch, East of Eden sei das Bild gewesen, das die damaligen Konstellationen sprengte und neue Möglichkeiten zeigte, aber das ist nicht wahr – East of Eden war damit nur als Erstes sehr schnell erfolgreich.

Aber was wäre East of Eden mit dir gewesen, Sam? Mit dir und Alexis?

Ich weiß, dass du am Anfang am eifersüchtigsten auf Blake warst; darauf, dass er einen Platz bei mir einnehmen könnte, der dir bestimmt war, dir gehörte, und dich dementsprechend verdrängen würde. Für dich gab es oft nur dieses finale Entweder-Oder-Gefüge. Das man einen Menschen ebenso mögen, ebenso lieben und ebenso intensiv in seinem Leben haben könnte, ohne das es einer anderen Person auch nur irgendetwas an Zuneigung absprach ein Konzept, das du heuchlerisch fandest; dass sich immer nach Verrat angehört hat, früher oder später. Und du warst so konzentriert auf mich, so besitzergreifend und ereifernd, lange Zeit, das du die wahre Bedrohung nicht kommen sahst.

Wahrscheinlich hast du sie nie gesehen, nicht wahr?

Alexis, ja…
Doch als ihr ein Paar wurdet, du und Blake, war sie für dich nur noch eine Silhouette am Rand; jemand, den er kannte und mochte. Jemand, den Blake auf Parties mit einem Kuss und einer Umarmung begrüßte, auch dann, wenn die Augen eines ganzen Raumes auf ihm lagen. Doch am Ende warst da du. Die, die er an der Hand nahm und mit sich zog, ebenso stolz, wie liebevoll. Blake hat dich immer mit dieser bloßgelegten Offenheit geliebt.

Alexis war nie akut. Und trotzdem war sie am Ende deine bitterste Rivalin.

Aber die größte Bedrohung hast du vielleicht bis zum Ende hin nie so recht begriffen. Vielleicht wolltest du es nicht sehen. Vielleicht sahst du es tatsächlich nicht.

Aber die Gefahr lauerte bei Logan.

Bei diesem Freundeskreis, den du immer nur ankratztest aber nie vollkommen miterlebtest; den du deshalb unterschätzt hast, immer und immer und immer wieder.
Und am Ende, als das Unglück längst passiert und über unsere Köpfe hinweggefegt war, warst auch du, waren auch wir, Kollateralschaden von Logans Aktionen. Wie viele vor uns. Vor dir. Und wie es auch viele nach uns waren. Nach dir.
Ich frage mich, ob du dich deswegen so eingeigelt hast, danach. Ob du es genauso gesehen und empfunden hast, im verheerenden Rückblick, der doch keinem mehr etwas bringt.

Logan hast du immer gehasst. Mit einer Intensität, die selbst ihn aufgerieben hat, das weiß ich, denn es gab wenige, die sich ihm derart unverfälscht gegenübergestellt haben. Du hast dich schließlich nicht verstellt. Für niemanden. Auch nicht für Blakes besten Freund. Du hast dich nicht mal bemüht.
Deine Ablehnung war fast unnatürlich.

Wir haben nie darüber geredet. Irgendwann gab es so viel, über das du nicht mehr reden wolltest und deswegen haben wir alles, was nicht mit dem Hier und Jetzt des aktuellen Tages zu tun hatte, irgendwann in wissendem Schweigen zwischen uns zergehen lassen.
Aber ich glaube, dass du keine Freude mehr empfunden hast, wenn du an diesen Sommer zurückdachtest.

Was schade ist.
Er war trotzdem gut.
Er war trotzdem wichtig.

Nicht nur für Fury.

Für uns. Für uns alle.


*



„Hey Sam!“
Sam erwiderte den Gruß mit einem breiten Grinsen und winkte der jungen Schwarzen zu, die gerade von ihrem Fahrrad abstieg und ihre langen Dreadlocks ausschüttelte. Die Glocken, die an dem dunklen Blau der Enden klimperten erinnerten Sam immer an Bradley und vielleicht war es Sam deswegen so leicht gefallen, Janice derart ins Herz zu schließen.
„Du wartest auf den Rest, hmn?“, grinste sie und hängte den Helm an das Lenkrad und als sie ihren Rucksack packte, ragten ihre Drumsticks aus dem alten Fetzen heraus, den sie immer mit viel Stolz mit sich herumschleppte. Janice sah abenteuerlich aus, mit ihrem Crêperock und den alten, abgewetzten Turnschuhen, aber sie hatte auch diese ureigene Lockerheit, etwas besonders Ungezwungenes, dass die Leute sie grundlegend sofort mögen ließ. Sam neidete ihr manchmal den Sympathiefaktor durchaus, war aber hauptsächlich froh, dass sie in ihr eine gute Freundin gefunden hat, ganz egal, dass sie heute ihr Talent der Konkurrenz zum Besten geben würde – Frauen waren hier ein seltener Anblick. Zumindest wenn es darum ging, auf der Bühne zu stehen und nicht davor.
„Levi“, antwortete Sam ungnädig und hielt Janice die Schachtel Zigaretten hin, als diese sich zu ihr auf die Bank gesellte.
„Immer zu spät in letzter Zeit, kann das sein?“
„Absolut. Sein Chef“, erklärte Sam und obwohl sie wusste, dass das eine triftige Erklärung war, kam auch sie nicht umhin, entnervt aufzuseufzen, „Er muss so gehen, wie es der Job zulässt. Nervig, aber notwendig.“
Janice brummte verständnisvoll, als sie die geschnappte Zigarette anzündete und ihre Beine auf die alte Holzbank hochzog.
Es war ein besonders heißer Sommertag und die brütenden Mittagsstunden kurz davor, sich in all ihrer Wucht über ihnen zu entfalten. Keine Wolke trübte den Himmel, kein Wind raschelte durch die übersatten Blätter der Bäume, die in ihren Farben beinahe zu explodieren schienen, während jene Grünflächen der Stadt, die man nicht pflegte, längst schrecklich verdorrt waren. Erst zum Wochenende hin waren Gewitterfronten gemeldet, natürlich genau dann, wenn die Festivalsaison begann, aber bis dahin waren die Einwohner Lytham St. Annes dazu verdammt, der Hitze auszuharren, sich mit Wasser und selbstgemachten Eistees möglich frisch zu halten und die ansteigenden Temperaturen einfach zu ertragen. Sam wischte sich eine Schweißperle aus den Brauen und schirmte ihr Sichtfeld mit einer Hand ab und genoss, wie die Wärme ihren Körper einhüllte und keinen Zentimeter nackter Haut ungeküsst ließ. Sie mochte den Sommer nicht, hatte sie sich immer eingeredet, denn wie konnte man die Sommer auch mögen, wenn man sie im Schatten des Hauses und der flirrenden Hitze der Gartenarbeit verbringen musste, während andere Kinder durch die Stadt zogen, Eis aßen und sich tobend in die Meeresfluten warfen? Sommer konnte da nur beschissen sein. Doch jetzt?
„Du bist wie eine Katze auf der Mauer“, lachte Janice und riss Sam aus ihren Gedanken, die über einen weiteren Zigarettenzug erst wissend grinste, dann lachte. Sam war braungebrannt und die langen Haare hatte sie in einen Pferdeschwanz gebracht, den sie sich in den Nacken gestrichen hatte. Weder Sonnenbrille noch Cap halfen ihr dabei, die Sonne auszusperren – nur viele Falten würde es bringen, ärgerte sie Bradley, der bereits morgens seine Wohnung nur mit Sonnenbrille verließ, aber Sam lachte nur und ließ Sonne, Sonne sein und nahm davon mit, was sie mitnehmen konnte. Eine jede Nuance, eine jede Sonnensprosse war ein Triumph, den sie auskostete, zählte und freudig ihrem Umfeld mitteilte. Es war ihr erster Sommer in der Freiheit und Sam hatte sich geschworen, ihn ausschöpfend zu genießen und genau das tat sie.
„Also heute ab zur Konkurrenz, ja?“
Janice verzog das Gesicht zu einer entschuldigenden Fratze. „Sorry, Sam. Aber ich fürchte, Bradley sitzt da hinter euren Drums wie eine brütende Henne. Sag mir, wie ich den da am besten wegbekomme und ich sitze nächste Woche sofort bei euch.“
„Runterschubsen“, vermutete Sam. „Ich denke… das ist die einzige Möglichkeit.“
„Wahrscheinlich“, Janice stieß einen ungnädigen Ton aus. „Er hat es sich schon richtig bequem gemacht.“
„Er weiß eben, wer gut ist“, Sam grinste verschmitzt und erlaubte sich diese aufgemantelte Arroganz spielerisch, denn Janice wusste es zu nehmen, das bellende Lachen zeugte davon. Sam neigte nur ihren Kopf und legte diesen für einen Moment versöhnlich an ihrer Schulter ab.
„Wenn sie dich nehmen, habe ich einen Grund weniger, sie zu sabotieren. Du bringst mich in Zwiespälte, weißt du das?“, gab Sam murmelnd zu bedenken.
„Der Stil ist ganz anders, als eurer“, erinnerte Janice und Sam pfriemelte an ihrer Nagelhaut herum. Sie wusste im Grunde natürlich, das Janice Recht hatte. „Du hast einfach nur ein Problem mit Logan, das ist alles.“
Sam murrte. „Er ist aber auch ein Arsch“, gerade hier zischte sie das letzte Wort im Brustton der Überzeugung und auch hier folgte er erneut, dieser brummende Laut Janices Zustimmung, der Sam kurz Genugtuung vermachte.
„Aber ein gutaussehender Arsch mit sehr geschickten Fingern.“
Sam richtete sich auf und verpasste Janice einen sachten Schlag gegen den Oberarm und verzog angewidert das Gesicht.
„Ernsthaft?“ Sam studierte das Seitenprofil der Freundin, die sich die Stelle rieb. Trotzdem lachte sie nur dreckig und wenig reuig und wenn Sam diesen Blick in ihren Augen richtig deutete…
„Oah, Janice!“
„Na was denn?“, lachte sie weiter und hob entschuldigend eine Hand und gestikulierte damit vage. „Du und Blake seid vielleicht loveydovey und bei euch ist auch alles schön, ätzend schön sogar, wir können es alle sehen, weißt du, aber es gibt auch noch uns“, Janice legte sich die Hand beherzt auf dem Brustkorb ab, „deren Herzen gebrochen wurden wegen dir, immerhin sind alle Chancen auf Blake getilgt und… da muss Frau einfach nehmen, was sich anbietet.“
„… auch, wenn das Logan Hadwin ist?“
„Vor allem wenn das Logan Hadwin ist.“
„Aber-„
„Du siehst einen guten Fick nicht, wenn er dir ins Gesicht schreien würde, Sam.“
Sams Wangen erhitzten sich mit einer Schlagartigkeit, die sie auch an ihrem Zigarettenrauch verschlucken ließ. Laut keuchend begradigte Sam ihre Haltung und beugte sich kurz würgend nach vorne und rang nach Luft, mehrfach, mit einer Hand fest an ihrer schmerzenden Luftröhre. Janice rieb ihr den Rücken, klopfte diesen ein paar Mal fürsorglich, aber Sam spürte das Necken in der Berührung schon bevor sie diesen dämlich zufriedenen Gesichtsausdruck in ihren feinen Windungen kleben sah.
„Tu nicht so unschuldig“, schnalzte Janice mit der Zunge, nachdem Sam sich wieder beruhigt hatte und rauchte und grinste noch ein bisschen breiter. „Du bist mit Blake zusammen. Wer die Gerüchte kennt-„
„Die Gerüchte interessieren mich nicht“, warf Sam langgezogen ein.
„Wer die Gerüchte kennt“, betonte Janice wiederholend, „weiß, was bei euch zwischen den Laken los ist“, Sam wollte protestieren, weil dieser Part hier einfach nicht zur Diskussion bereitstand, aber Janice hob den Finger, „und das dieses Erröten hier… Bullshit ist. Absoluter.“
„Komm schon, Janice, aber Logan?“, Sam betonte den Namen, als wäre er eine Geschlechtskrankheit, und Jesus, sie ging nicht davon aus, dass das weit hergeholt wäre; Logan band sich nicht, das tat er nie, das hatte Blake ihr verraten, und auch, wenn Logan nicht jede Chance nutzte, die sich ihm bot, gab es trotzdem genug, das in seiner Hose los war um Fragen nach seiner Gesundheit zu rechtfertigen.
„Logan ist eine Zwölf auf einer Skala von Zehn und ich bin mir nicht zu schade dafür, mir sowas entgehen zu lassen. Schau, was es mir eingebracht hat?“, Janice grapschte nach einem Drumstick, den sie sanft auf Sams Oberschenkel niederfahren ließ. Sams Schultern sanken indess ein.
„Ich gebe es auf“, entschied sie und Janice nickte.
„Besser so“, sie stupste Sam leicht mit der Schulter an, „ist ja süß, wie du mich vor ihm bewahren willst, aber ich bin ein großes Mädchen und weiß, was ich tue.“ Und das war etwas, wie sie unwillig feststellte, dessen sie sich absolut klar war. Leider. Sam lächelte ergeben.
„Ich habe mir zwar vorgenommen, so nicht mehr zu denken, aber Janice?“
„Was denn?“
„Ich wünschte, ich hätte dich früher getroffen.“
„Ich weiß, Hase.“
Die Freundinnen lachten beide und als tatsächlich doch noch eine leichte Brise ihren Weg in die enge Straße fand, die zum Hintereingang des Jugendhauses führte, reckten sie beide trotzdem ihre Nase in den Wind und lauschten dem Kindergelächter, dass er vom Strand zu ihnen trug und genossen den Hauch der Abkühlung.


*


„Ich frag mich, ob es ihm überhaupt noch wichtig ist“, murrte Sam, die sich mit ihrem Bass auf einem Hocker niederließ und die Frustration, die sie spürte, war zu deutlich mit Entnervtheit gemischt, als dass sie es verbergen konnte. Gerne hätte sie Blake hinterhergerufen, das er verdammt nochmal die Tür zum Bandraum schließen sollte, wenn er schon mitten in den Fingerübungen aufstehen und gehen musste, aber sie wusste, dass sie damit nur eine Laune an ihm ausgetreten hätte, die mit ihm nichts zu tun hatte. Denn Blake war wundervoll. Dieser Scheißkerl war so leichtfingrig, dass es Sam zum Hals heraushing, zumindest an einem Tag, wie heute, an dem sie fünf Anläufe brauchte und Konzentration nicht kommen wollte, egal, wie deutlich Sam sich bemühte diese herbeizuzwingen und einfach Saite um Saite verschrammte, weil sie es melodiös nicht so nuanciert hinbekam, wie sie so gerne wollte.
„Ich meine, wo bleibt er denn?“
„Wenn viel los ist, wird er sich nicht davon machen können“, gab Bradley zu Bedenken, der sich an die Wand gelehnt hatte und sie mit verschränkten Armen und diesem Blick bedachte, der momentan mehr Ruhe ausstrahlte, als dass Sam es ertragen könnte. Es war einfacher, ihn nicht anzusehen, also tat sie es auch nicht und akzeptierte, dass das Schweigen, das sich schon eine Weile durchkämpfen wollte, vielleicht tatsächlich das Beste wäre.
Von der Weite des Flurs drang Gelächter in den dunkleren Proberaum, dessen Glühbirne seit einer Woche irritierend vor sich hinflackerte und nicht so wollte, wie es ihrer aller Augen benötigte. Janices Schlagzeug wummerte an ihre Ohren und sie war gut, hörte Sam, aber sie war nicht so gut wie Bradley und Sam interessierte es nicht, wie unkameradschaftlich es war, so zu denken, in diesem Moment zählte nur, dass sie Bradley auf ihrer Seite hatte; Blake auch. Denn es war Alexis Gesang, der sich sengend in ihr Gehör stach und sich auf ihrem Gemüt niederdrückte, als hätte man ihr eine Ohrfeige verpasst und damit zu Boden gerissen.
Sam hatte sie bis letzte Woche nie singen hören und zu sagen, sie wäre überrascht gewesen, als sie Alexis zum ersten Mal singen hörte, wurde der Finesse dahinter nicht gerecht, denn da, wo Sam immer gedacht hatte, talentiert zu sein, gut zu sein, war Alexis zum Singen einfach geboren. Ihre Stimme war nicht wärmer als Sams, aber sie war klarer und beherrschte die differenzierten Tonlagen in einer Kunstfertigkeit, die einen nur vor Neid erblassen lassen konnte und neidisch war Sam, so sehr sogar, dass sie am liebsten die Tür zugeknallt hätte. Blake doch noch etwas hinterherrufen wollte, obwohl sie wusste, dass er längst außer Hörreichweite war.
Alexis machte ihren Gesang zum Handwerk. Brad hatte ihr erzählt, dass sie Gesangsstunden genommen hatte, regelmäßige, sich aber dann selbst stetig förderte und weiterbildete und die Art, ihr Talent technisch so nüchtern herunterzubrechen hatte Sam nie verfolgen wollen, aber jetzt sah sie nicht nur, sondern sie hörte, wo die Unterschiede darin liegen konnten; verstand, warum man Alexis hier auf den Gängen nachsah, als wäre sie ein Weltstar, der sich in dem städtischen Seebad an der Küste verlaufen hatte, warum man ihre Aufmerksamkeit suchte und wieso man sie so sehr mochte.
Sie alle kannten ihren Gesang.
Kannten ihre Bühnenpräsenz, von der Bradley nur Gutes berichtet hatte. Und Blake hatte es nur mit einem schweigenden Nicken bejaht.
Sam verstand mit einem Mal, warum Logan seine Hand so schützend über Alexis ausgebreitet hatte, verstand diesen unendlichen Neid anderer Frauen, weil Sam mitbekam, wie Logan sie ansah und das Logan Alexis ansah, wie er niemanden ansah und während man hier in diesem beschissenen Jugendhaus, in dem natürlich Logan den einzig anderen Proberaum auch gemietet haben musste, munkelte, da lief was zwischen ihnen, wusste Sam es besser. So viel besser.
Er pushte sie.
Er bereitete sie vor.
Und Sam hatte die Gerüchte nicht überhört, dass man es schade fand, dass Blake sich der Band seiner Flamme angeschlossen hatte, weil sie doch gesehen hätten, das Logan ihn umworben hatte. Doof fand man das, spannend, interessant, dass Blake bei ihr, bei Fury, war, denn Logan und er waren doch bereits so lange, so eng befreundet. Da würde man es wieder sehen, dass Frauen eben Loyalitäten spalten würden. Scheißfrauen.
Es war nicht schwer, die Stimmen in ihre Gedanken zurückzuholen und sich ihrer Gesichtsausdrücke zu besinnen. Sie hatten Sam nicht gesehen, in dem Schatten der Nacht, Sternenhimmel und Zigarette zugewandt, während sie auf Blake gewartet hatte, doch das Gehörte zu ignorieren, oder es sich nicht davon tangieren zu lassen, das war zu schwer für Sam, die stolz war, ging es um sich selbst, ihren Gesang und auch Blake. Denn sie war kein Frauchen und Blake würde sich niemals durch ihren Beziehungsstatus alleine in etwas halten lassen, von dem er nicht überzeugt war, darüber hatten sie nie reden müssen, um das zu wissen, denn Blake hatte nicht umsonst ihren Gesang eingefordert; hatte sie nicht umsonst hören wollen, wissen wollen, wie sie wirkte.
Trotzdem ging es ihr unter die Haut. Und der Gedanke daran, dass Logan versuchen könnte Blake für das anzuwerben, was er mit Alexis plante, war etwas, das sie vernichten wollte, in jeder noch so kleinen Chance.
Denn Sam wollte das selbst.
„Du warst mit ihr zusammen“, brach Sam das Schweigen selbst und nahm sich aus dem Bann, den Alexis Stimme auf sie hatte, vollkommen heraus. Bradley schenkte ihr einen Blick aus herabgesenkten Lidern; ein Blick, den er immer innehatte, wenn es um Alexis ging, mit der er umging, wie mit jeder anderen Frau, doch auch hier entgingen Sam die feinlebige Details nicht, die von mehr zeugten, als nur einer langjährigen Bekanntschaft.
„Wie lange?“, hakte sie nach und ließ ihre Hand von dem Riff sinken.
„Lange“, antwortete er, und fügte dann auf Sams zur Seite geneigtem Kopf hinzu: „Drei Jahre.“
„Drei Jahre?“, Sam sah ihn mit einem gewissen Unglauben an, doch Bradley lächelte, fast schon entschuldigend.
„Eine lange Zeit, ich weiß.“
„Ja“, stieß sie aus. Schwer, sich Bradley und Alexis vorzustellen, fiel es Sam nicht, denn sobald sich dieses Bild ergeben hatte, hatte sie sie gut gesehen, die beiden, mit ihren blonden, dichten Haaren, Löwe und Löwin, ebenso stolz wie elegant und da, wo Bradley ruhige Erhabenheit und Wärme ausstrahlte, was Alexis ein sprühender Funke der Inspiration, immer freundlich, immer involviert, immer professionell. Und dann war da Logan, der verführerisch wirkte, wie der Apfel, an diesem zu tief hängendem Ast in einer Welt, die paradiesisch anmutete…
Sam musste fragen.
„War es wegen Logan?“, ihre Stimme wurde leiser. Sie kannte Bradley noch nicht zu gut, hatte aber das Gefühl, offen mit ihm sein zu können, doch hier… „Liebst du sie noch?“, fragte sie weiter, ehe er antworten konnte und sie hob ihre Hand in einer Geste, von der sie nicht so recht wusste, was sie zeichnen wollte – Entschuldigung oder Beschwichtigung. Doch ihre Hand sank kraftlos und sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich sehe, wie du sie ansiehst“, erklärte sie leiser und als Bradley lächelte, eine Spur zu trüb, wusste Sam, dass sie die richtigen Fragen gestellt hatte.
„Er liebt sie“, antwortete Bradley. „Und sie liebt ihn. Das war schon so, als ich sie kennenlernte. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit.“
„Aber-„
„Warum?“, nun war es Bradley, der seinen Kopf leicht zur Seite legte und Sam nickte langsam, aber nicht zögerlich. „Ich weiß es nicht“, lachte er rau auf und löste eine Hand, mit der er sich durch den Bart fuhr. Sachtes Klingeln strömte kurz durch den Raum. „Liebe, schätze ich.“
Liebe. Wie viele verfluchte Arten gab es davon?
„Aber sie sind doch kein Paar“, daran hatte Sam keine Zweifel. Sam rang nach weiteren Worten, aber ihr fehlte eine weitere Erklärung, sicher auch deshalb, weil sie die beiden nicht gut kannte. Sie konnte sich nur auf das Gesehene berufen; auf ihre Instinkte vertrauen.
„Nein“, bestätigte Bradley. „Das werden sie auch nie sein“, seine Antwort war unerwartet final.
„Aber warum dann?“, für Sam ergab es keinen Sinn. Sie sah nicht nur, wie Logan Alexis ansah, sie sah auch, wie ihre Blicke immer nach seiner Silhouette suchten, nach einem Anzeichen von ihm, nach langen Haaren, geschmeidigem Lachen und seiner großen Gestalt und manchmal nahm sie einfach seine Hand, wenn sie sich zu ihm gesellte und zog sich selbst in seinen Arm und an seine Brust und schob sich so mit einer Ungezwungenheit in Gespräche – und Logan nahm das ebenso an, wie die Gesprächspartner. Da… war doch mehr.
„Am Ende des Tages war es immer Logan“, erklärte Bradley dann. „Es… war immer nur Logan. Egal, was ich getan habe, egal, wie ich für sie da war, oder versucht habe, da zu sein… Alexis Dämonen waren immer größer. Nichts half. Der einzige, der immer schon mit ihnen umgehen konnte, war Logan. Er hat sie damals gebändigt und das tut er noch heute.“
Es war schwer für Sam, sich vorzustellen, dass jemand wie Alexis mit ernstlichen Problemen, Dämonen, zu kämpfen hatte, aber sobald sie diese Gedanken begriff, kam sich Sam kleinlich und verurteilend vor. Sie wusste schließlich kaum etwas über sie. Aber sie hörte die Verletztheit in Bradleys Stimme, hörte, wie er sie versuchte, zu unterdrücken und sie gerade deshalb so überdeutlich erreichte.
Er liebte sie immer noch.
„Logan nutzt seine Position nicht aus“, realisierte sie dann. Sams Kopf ruckte nach oben und ihre Augenbrauen schoben sich überrascht nach; das Braun ihrer Augen legte sich fast schon ungläubig auf Bradleys Gestalt, der jetzt lächelte.
„Du hast eine viel zu schlechte Meinung von ihm, ich sage es dir jedes Mal.“
„Aber er liebt sie doch, hast du gesagt. Ich bin nicht blind, ich weiß doch, was ich da immer seh-„
„… aber sie ist zu kostbar. Das, was sie haben, seit Jahren, zu kostbar um es zu riskieren, für etwas, das ungesünder wäre.“
„Das ist doch genauso beschissen. Logan vögelt sich durch halb Lytham, du kannst mir nicht sagen, dass Alexis das nicht interessiert, wenn sie-„
„Es ist ein Dämon für den anderen. Alexis leidet. Oft. Auch, als wir noch zusammen waren“, wieder ein kurzes, schmallippiges Lächeln, „Aber sie leidet lieber, als in Gefahr zu geraten, ihn ganz zu verlieren. Und Logan ist kontrollierter, als du denkst.“
Sam stieß leise den Atem aus und auch, wenn ihr die Antwort nicht gefiel, musste sie nicht nur einsehen, sondern zugeben, dass dahinter wohl eine verquere Logik lag, wenn man nicht dazu bereit war, sich ganz, nicht nur auf die eine oder andere Art loszureißen. Sam konnte es sich nicht vorstellen, wie sich sowas anfühlen mochte, da sie selbst nicht so war, das wusste sie – sie könnte das nicht, nicht auf die Dauer über Jahre und Jahre und Jahre, dazu war sie zu egoistisch. Sie wollte und brauchte und konnte Liebe ganz, oder gar nicht. Alles andere erschien als Kompromiss zu schmerzlich. Sam kam nicht umhin, sich die Frage zu stellen, ob sie unter anderen Umständen auch versucht hätte, Distanz zu Blake zu wahren und aufzubauen, vielleicht, um musikalisch anders und besser zu funktionieren, doch dann war er da, mit seinem warmen Blick, der mindestens so ausdrucksstark war, wie der Rest, weil er damit ebenso zu kommunizieren bevorzugte und dann konnte Sam es sich nicht mehr vorstellen, wie sie es schaffen würde, sich dessen immer zu entziehen, konstant, so wie Alexis und Logan das taten, über Jahre hinweg, immer mit diesem Aufwand, für den doch sicher auch irgendwann die Kräfte schwanden.
Sie beobachtete Bradley, wie er in dem Zittern des Lichts seinen Kopf an die schallgedämpfte Wand lehnte und kurz die Augen schloss. Sie hätte ihn gerne gefragt, was es war, das ihm durch den Kopf ging, jetzt, da sie warteten, und die Anwesenheit Alexis ebenso wenig aussperren konnten, wie die Tatsache, dass seine Exfreundin, aber auch ein Teil seiner alten Clique nur wenige Meter neben ihnen exzessiver kreierte, als sie es vorerst für sich selbst erhoffen konnten. Sam wusste, dass sie alle dazu bereit waren, diese Sache hier auf ein Level zu heben, das mehr sein sollte, als reiner Zeitvertreib, aber das, was dort drüben gemacht wurde, war präzises Proben und ein akkurates Herausarbeiten von Schwächen und Stärken und sie fragte sich…
„Hier an diesem Fleck bin ich genau richtig, Sam, mach dir keinen Kopf.“
Sam blickte in dem Wimpernschlag, in dem seine Worte sie überraschten, beiseite und senkte den Blick auf ihre Hände, dann aber lächelte sie leicht und erlaubte sich sogar ein leises, zaghaftes Auflachen und schlug dann ihre Wimpern auf und hörte auf, den Blickkontakt zu vermeiden. Bradleys Blick war warm, aber direkt. Sie gab sich Mühe, nicht unter dieser direkten Konfrontation wegzubrechen, weil es selten genug war, dass sie in derart intensive Gespräche mit ihm rutschte.
„Du bist nicht schlechter als sie. Dir fehlen nur viele Jahre an Übung und das ist nichts, dass du reinholen kannst. Darum geht es nicht. Um soetwas darf es nie gehen.“
„Ich kann mir aber nicht helfen“, leugnete Sam die Umstände nicht und als sie jetzt seufzte, erlaubte sie sich, die eigene Hilflosigkeit durchschimmern zu lassen. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“
„Hör auf, deine ersten Schritte mit ihrem zehntausendsten zu vergleichen. Das wäre ein guter und wichtiger Anfang.“
„Aber… ich bin davon überzeugt, weißt du, dass ein Genie, ein Talent, am Ende des Tages mit harter Arbeit eingeholt werden kann. Talent ist nichts, wenn ich damit nicht arbeite, Tag für Tag für Tag.“
„Alexis arbeitet hart.“
„Aber sie geht auch ins College und hat nicht so viel Zeit an ihrer Hand, wie ich das habe, und-„
„Warum ist dir das so wichtig? Warum Alexis?“
„Was meinst du mit Warum Alexis?“, Sam sah ihn kurz verwirrt an und schob dann den Gurt des Basses über ihren Kopf und lehnte das Instrument neben den Hocker, der für Levis Präsenz vorgesehen war.
„Warum du deine Erfolge und Misserfolge an dem misst, was sie tut.“
Bradley baute ganz gezielt den Augenkontakt auf und als er bemerkte, dass sie dem zu entfliehen versuchte, kettete er sie fest, in dieser Geste des leicht zur Seite geneigten Kopfes, dass sie so wissend, so enttarnend erreichte, und Sam wollte die Lider senken und wegsehen, das Bild von Blake und Alexis vor ihren Augen verbannen, denn sie wusste zu gut, dass es exakt das war, worum es ging.
„Was heckt ihr beide denn aus?“
Levi kam ihr zur Rettung, wie er ihr immer zur Rettung kam, nur dieses Mal wusste er nichts von der Entfaltung seines seltenen Talents und vielleicht flog deshalb Sams Kopf zu seiner Gestalt herum, die im Blaumann und reichlich erschöpft wirkend im Türrahmen erschien. Blake schob sich grinsend neben Levi, der fast eineinhalb Köpfe kleiner war und fuhr ihm durch das schweißnasse Haar und Levi lachte aus, gedämpft, hörbar müde, aber: er war da.
„Tausend und eine Möglichkeit, wie wir dir das Zuspätkommen heimzahlen können“, nutzte Sam sofort ihre Chance, aber ihre Stimme war jetzt mild und voll leichtem Amüsement, denn ihn zu sehen, mit der Zigarette im Mundwinkel und einer Stirn, die vor Anstrengungsschweiß glänzte, wollte sie ihm keinen Todesstoß voller Unfairness verpassen. Er war hier und das war das, was zählte.
„Sam hat Logan soeben den Kampf angesagt“, schob Bradleys Stimme sich dazu, als Alexis‘ Stimme in einem Refrain erhob und den ganzen Gang mit ihrem Können erfüllte.
„Tut sie das nicht immer?“, lachte Blake leise als er antwortete, aber wie auch Levi sah er Sam an, nicht Bradley. Doch im Gegensatz zu Blake grinste Levi selbstgefällig und breit, wedelte mit seinem Daumen in die Richtung des Gesangs.
„Nicht schwer bei dem Gejaule.“
Blake rollte leicht mit den Augen, aber es war dieses leichte Halblächeln auf seinen Zügen, dass diese Geste nicht jener Entnervtheit unterwarf, die man doch gewöhnlich damit verband. Sam erkannte Nachsicht, sie erkannte leichte Belustigung und Sam musste selbst lachen, über diese offensichtliche Übertreibung und Miesmache – ein jeder in diesem Raum wusste, wie gut Alexis war; da musste man sich nichts vormachen, am allerwenigsten ihr. Dennoch liebte Sam Levi gerade dafür und es tat auch gut Blake zu sehen, wie er die Türe hinter ihnen zuzog, mit dieser klaren Bestimmtheit in dieser Geste, die nicht nur den Gesang aussperrte, sondern die Gemeinschaft, dieses eingeschworene Team, das sie waren, zentrierte und in den Mittelpunkt all dessen rückte, das Wichtigkeit besaß. Sam klatschte in die Hände und strich sich Haarsträhne aus Gesicht und hinter das Ohr und erhob sich aus ihrer Position.
„Okay, aber meint ihr nicht, dass wir das schaffen könnten?“ Sam stemmt die Hände in die Seite und verlagerte ihr Gewicht von der einen Hüftseite auf die andere und ließ ihre Augen schweifen. Nur kurz blieb sie dabei bei Blake hängen und wusste selbst nicht so recht, was es war, dass sie bei seinem Anblick zu sehen erhoffte. Sam gestikulierte in die Richtung, in der es jetzt Schweigen war, dass sie umhüllte und das aussperrte, was im Proberaum der anderen von statten ging, und sie verstanden ausnahmslos, was Sam meinte.
„Sag du es uns“, sprach Blake und es war eine Ruhe in seiner Stimme, die Sam umwogte. Und dann war die Antwort klar.
„Ja. Mit mehr Mühen und mehr Fleiß, aber ja.“
„Mit mehr Proben, meinst du“, fügte Bradley hinzu.
Sam bejahte wieder und sah Levi an, der müde und verschwitzt war, herausfordernd, aber auch fragend, aber ganz gleich, wie tief der Tag in seinen Knochen saß – er zwinkerte ihr zu und Sam merkte, wie sie durchatmete und sich ein Knoten löste, der das, was in ihrer Brust schlummerte, Freiheit vermachte.
„Dann auf geht’s“, frohlockte sie und griff beherzt nach dem Bass. „Wir haben die ganze Nacht!“


*



Dass sie sie so anlächelte irritiere Sam bis zu einem Grad, der es ihr schwerfallen ließ, sich auf Logans Person zu konzentrieren, der vor ihr stand. Alexis nicht in einem Kleid zu sehen war seltsam bis abstrus; das Kleid für Sam doch mittlerweile ein Zeichen ihrer Weiblichkeit und ihres verspielten und freien Ausdrucks. Das weiße Top und die kurzen Jeansshorts waren etwas, das sie eher Janice zugeschrieben hätte, als tatsächlich Alexis, doch es schmeichelte die Haut, die von der Sonne bronzefarben schimmerte und das hochgesteckte Haar ließ sie gemeinsam mit den breiten Kreolen im Ohr jugendhaft wirken. Ungeschminkt war sie und müde sah sie aus – und trotzdem hatte Sam, deren Augen von dunklen Kajal umrandet waren, nie eine schönere Frau gesehen. Und als Alexis sie anlächelte, so offen und kontaktfreudig, seit dem Abend, an dem sie sich kennengelernt hatten, riss sie sich von ihrem Anblick los und sah nun Logan direkt an, der nicht weniger attraktiv war.
Trotzdem wollte sie ihm den amüsierten Schwung auf den Lippen aus seiner Visage schlagen, sobald es sich abzuzeichnen begann. Sam presste ihren Kiefer zusammen. Sie hatte keine Lust, es in schöne, oder gar versöhnliche Worte zu packen, das passte nicht zu ihr und sie wollte auch nicht diesen Kontakt, auf den alle in diesem verdammten Jugendhaus zu warten schienen..
„Was gibt es?“, erkundigte sie sich knapp und aus den Augenwinkeln heraus sah Sam, wie Alexis auffordernd in Richtung Blake lächelte, der sich durch seine Haare fuhr und gerade dabei war, eine Zigarette anzuzünden. Als Alexis leise auflachte, fragte sich Sam, ob Blake ihr gerade vertrauensvoll zugezwinkert hatte – sie hatte gesehen, dass er das öfters tat und ihr war nicht entgangen, wie erfreut Alexis darauf reagierte.
„Also?“, Sams Augenbrauen ruckten in einem ungeduldigen Schwung nach oben.
„Bradley hat berichtet, das bei euch langsam Form reinkommt“, begann Logan, der selbst an einer Zigarette zog und nun ein Ärmel seines offenen Leinenhemdes hochkrempelte, bevor er Sam über sein Ausstoßen des Rauches unverwandt ansah. Sam fragte sich, wer Logan berichtet hatte, das es am besten wäre, sich direkt an sie zu wenden. Es war kindisch, aber sie konnte sich nicht helfen – es schmeckte wie Verrat. Sams Arme flogen in eine Verschränkung vor der Brust und die Geste unterstrich ihre ungeduldige Erscheinung nur um ein weiteres. Sam spürte, wie sich jemand neben sie gesellte und erkannte die giftgrüne Farbe Levis T-Shirts, als er sich neben sie auf eine Soundbox setzte.
„Verdammt richtig“, hörte sie ihn grinsend sagen, „Was ist los, Hadwin, fühlt ihr euch langsam bedroht?“
Levi scherzte und Logans Mundwinkel regten sich in ein warmes Lächeln, doch da, wo Alexis unbeschwert auflachte, frei von Konkurrenz und bösen Gedanken, das sah man, schaffte es die Regung bei Logan nicht, zu etwas derartig freien anzuwachsen. Bei Sam auch nicht. Denn wenn es darum ging, hörten bei Logan die Scherze auf und da war er Sam so brachial ähnlich, dass sie sich für diesen Bruchteil der Sekunde mit ihm verbunden, ebenbürtig fühlte, egal, wie verwerflich ihr das doch schien. Egal, wie absurd.
„Wir haben ein festes Engagement über das Sommerfestival erhalten“, begann Logan dann und so geschmeidig seine warme Stimme auch klang, Sams Lippen verschmälerten sich zu einem ungnädigen Strich. Sie versuchte den Stich, der sie bei diesen Worten ärgerte, zu ignorieren, aber das war leichter gedacht, als tatsächlich umgesetzt. Ihre dunkel lackierten Nägel bohrten sich kurz in die Haut ihrer Oberarme.
„Primetime“, fuhr er geschäftlich fort, „vier Abende hintereinander.“
„Die gesamte Setlist?“, war es Blake, der sich zu Wort meldete und Sam ließ es sich nicht nehmen, kurz in seine Richtung zu schauen, nein, zu funkeln, denn sie hörte nicht nur Überraschung, sondern auch Anerkennung heraus – und vor allem sah sie diese, als Logan das bejahte.
„Volle sechzig Minuten reine Spielzeit, nach dreißig Minuten eine fünfzehnminütige Pause, danach bis zum Open End – wir rechnen mit ein paar Zugaben.“
„Wir haben das auch schon mit der Band abgeklärt, die nach uns spielt“, schaltete sich Alexis ein, „Zugaben sind kein Problem, aber wir versuchen, gleich in ihren Auftritt überzulenken, um es ein bisschen dynamischer zu machen. Verbundener. So zu tun, als würde man sich nicht kennen, ist ja Unsinn“, lächelte sie, „Wir sind immerhin in Lytham. Die Musikszene ist ein Dorf.“
„Nicht schlecht, Gratulation. Was hat das mit uns zu tun?“
Sam nickte zur Bestätigung und hätte Bradley für die Worte am liebsten geknutscht – für die Tatsache, dass er weiterhin hinter seinem Schlagzeug verharrte und sich nicht die Mühe gemacht hatte, aufzustehen, auch. Er klang nicht direkt abweisend, aber er klang kurz und knapp fokussiert und obwohl das etwas war, das Sam ohnehin an ihm mochte – verdammt, tat es jetzt gut, ihn in ihrem Lager zu haben.
Sams Blick glitt zurück zu Alexis die gerade zu Worten ansetzen wollte, aber dann leicht unsicher gestikulierte und dann Logan ansah, der verstand und fühlte, ohne das er sie tatsächlich ansehen musste. Logans Blick glitt von Bradley zu Sam und als er sie ansah, so unverwandt, war der Blickkontakt so unverfälscht hergestellt, dass Sam aus diesem nicht ausbrechen konnte. Aber das machte nichts. Schließlich war Sam stur und ebenso stur starrte sie zu ihm zurück, fast schon herausfordernd. Für sie gab es hier nichts abzuwarten oder zu hören, sie wollte einfach nur, dass er sagte, was er zu sagen hatte, vielleicht dabei noch seinen blöden Hut auszog und dann Alexis nahm und sich wieder verpisste, weil sie hier ein straffes Programm hat-
„Wir möchten euch als Vorband. Ihr habt wenige Cover und die Cover, die ihr habt, habt ihr euch im Sinne eures eigenen Stils angeeignet. Wir haben eure Eigenkreationen gehört und gehört, was Sam darin mit ihrer Stimme macht und machen kann. Ich denke, das wäre für euch eine echte Chance – und eine gute Vorbereitung auf unseren Act. Wir sind unterschiedlich im Stil, aber die Repräsentation ist am Ende des Tages im Sinne der Szene im Genre gleich.“
Nachdem Logan geendet hatte, wünschte sich Sam, dass jemand außer ihr irgendetwas sagte. Aber nicht einmal Levi, der immer auf alles eine spontane Antwort hatte, rührte sich und es machte Sinn, verstand Sam, denn Logan sah immer noch sie an und nur sie und so unbequem sie das noch vor ein paar Wochen gefunden hätten, sprach es nun dafür, dass er ihre Rolle in der Band zu verstehen begriff.
Vor zwei Tagen erst hatte sie mit Blake auf seinem Balkon darüber sinniert, noch nass von der Badewanne und erschöpft von dem Sex, der ihre Glieder erschwerte, wie geil es wäre, die Sommerfestlichkeiten schon dieses Jahr mitnehmen zu können; hatte geschmollt, dass sie zu spät in die Spur gekommen waren und geseufzt, ungnädig und sehnsüchtig und ungeduldig, doch jetzt?
„Keine Chance.“, ihre Worten kamen mit einer Entschlossenheit über ihre Lippen, die sie selbst nicht erwartet hätte, die sie aber sofort in ihrem Herzen verankerte und daran festhielt, denn sie merkte, wie Levi begann, unruhig auf der Box hin und her zu rutschen. Logan entging das nicht.
„Vielleicht wollt ihr euch erst besprechen.“
Sein Blick ging von ihr zu Levi, zu Blake und bei Blake blieb er hängen, so vielsagend und klar deutend, das Sam ihm am liebsten aus dem Zimmer schubsen wollte. War es Blake gewesen, der mit ihm geredet hatte? Oder hatte Blake Logan einfach von ihren Fortschritten berichtet?
„Nein“, schüttelte sie den Kopf und Sam war ebenso entschieden, wie sie wütend war, sauer, zornig, verletzt, alles zusammen und egal, wie sehr sie die Lippen aufeinanderpresste, um zu versuchen, sich zu beherrschen, irgendetwas an der Atmosphäre Logans machte das einfach immer unmöglich.
„Glaubst du, nur, weil wir uns die Finger danach lecken, dass ich dein Angebot einfach so annehme? Wir sind gut. Wir sind besser, als der Durchschnitt und du hast den Nerv, uns nicht mal darum zu bitten, zu fragen, ob wir das für euch tun könnten, als wäre es ein Akt der Gnade, den du uns zukommen lässt!“ Ihre Abneigung bleckte Logan entgegen und anhand dessen, wie seine Gesichtszüge sich zwar nicht veränderten, der Ausdruck in seinen Augen aber hart wurde, bezeugte Sam, dass sie hier an jemanden geraten war, der mindestens ebenso unnachgiebig war, als sie selbst. Und das war nicht schlecht, beschloss Sam. Wenigstens jemand, auf dem man keine Rücksicht nehmen musste.
„Wir sind gut“, betonte sie, „Und ihr könntet froh sein, wenn wir für euch eröffnen, denn wir verstehen auf jeden Fall, wie man einer Menge einheizt. Aber das wisst ihr, nicht wahr?“, Sams Blick schoss zu Alexis hinüber, die verdächtig still geworden war, „Ihr habt uns gesehen, bei dem letzten Auftritt, ihr habt gesehen, wie man auf uns reagiert und dann habt ihr euch gedacht, oh shit, da hängt uns jemand an den Fersen. Das nutzen wir besser mal und binden sie an uns, bevor wir uns da Konkurrenz einhandeln, die wir nicht kontrollieren können. Wenn du glaubst, das ich auf deine Masche hereinfalle“, Sam lachte höhnisch, „hast du dich geschnitten.“
Logans Ausdruck wurde kalt und neben sich hörte Sam, wie Levi leise aufseufzte und langsam begann, sich aus seiner sitzenden Position zu erheben. Trotzdem lächelte Logan. Sam sah, wie dieses Kräuseln über seine Lippen rollte wie ein Tsunami, der sich auftürmte und langsam, aber stetig aufbaute und als beide Mundwinkel zuckten, als Logan leise auflachte, fühlte Sam sich davon mindestens ebenso bedroht, wie von dem Wassergebilde, das nicht nur über einen hinwegfegen, sondern zerstören konnte. Seine Augen waren dunkler als ihre es waren, aber das Braun, samtig und verführerisch mit dem dichten Wimpernkranz, war wach und scharf in seinem Blick und bei weitem nicht so verklärt, wie man an seiner ruhigen Erscheinung schonmal vermuten konnte. Da lag ein glasklarer Glanz und er stach sich tief in ihre eigenen Iriden; da lag eine Gewaltigkeit dahinter, die sie in ihrer Kälte nicht derart erwartet hätte.
Sam hatte das Gefühl, ihm auf dem Leim gegangen zu sein und wurde nur noch wütender, als er sich die Zeit nahm, erst noch einen weiteren Zug von der Zigarette zu betätigen; erst eine Hand in die Tasche seiner Hose gleiten ließ.
„Du bist nicht in der Position, eine Bitte von mir einzufordern“, sprach er dann. „Es war ein Angebot, der Freundschaft und des Respekts willen. Das, was diese Band mit dir zusammen zu geben fähig ist, können fünf andere Bands liefern und es würde nur ein Anruf meinerseits benötigen, und sie wären dabei. Und weißt du, woran das liegt?“, Logan unterbrach sich mit einem weiteren Zug und Sam schnaubte, ob dieser dämlichen Rhetorik, aber seine Worte saßen, ein jedes davon, und es fiel ihr schwer, zu verbergen, dass dem tatsächlich so war.
„Wir haben uns diese Position erarbeitet. Du bist erst vor ein paar Wochen aus deinem Motelloch in Blackpool gekrochen und Ambition steht dir, und Ambition ist etwas, das du brauchst, wenn du dir je erhoffst, Blake zu halten, aber werde nicht arrogant. Dein Gleichsetzen mit uns ist wie ein Affe, der nach den Sternen angelt und dann in den Teich fällt“, amüsierte er sich kalt, „Es ist nicht nur naiv und unreflektiert, sondern besonders dumm und wenn du erwartest, ernst genommen zu werden, bis du mindestens zweihundert Auftritte im Rückstand.“
„Dann geh doch“, blaffte Sam ihn an, die sich diesen Mist nicht mehr anhören wollte. Sengend brannten seine Worte schon ihre Wirkung in ihren Geist und in ihre Gefühle und eine jede Intonation, so unterschwellig sie auch war, krallte sich fest und würde sie nicht loslassen, nicht allzu schnell.
„Denk drüber nach“, wiederholte Logan, ungerührt von ihrem Ausbruch und er lächelte erneut, nur kurz, und erinnerte dabei ein wenig an Blake, doch was bei Blake verschlagen wirkte, setzte sich jetzt herablassend fest und war ein einziger Schlag ins Gesicht. „Das Angebot steht für diese Band, die es verdient hat, eine Chance auf soetwas zu haben – und in der du übrigens der einzige Faktor ist, der absolut ersetzbar ist. Das solltest du dir vor Augen halten.“
Es war mehr ein Reflex, dass Sams Hand sich löste und sie diesen einen, verheerenden Schritt nach vorne trat, der die Distanz zwischen ihr und Logan tilgte, doch so, wie Sams Ohrfeige geflogen kam, wurde sie auch schon zurückgehalten und als dieser zornige Nebelschleier sich vor ihren Augen lichtete, den Sam jetzt als Tränen des puren und absoluten Zorns begriff, sah sie in das Gesicht Alexis‘, das ungewohnt neutral vor ihr aufklarte, mit einem Blick, der nicht hart, aber fern jedweder Freundlichkeit lag, für die sie bekannt war. Alexis‘ Hand hielt Sams Handgelenk fest umgriffen und als Sam bemerkte, was sie da tat, wollte sie die Hand sinken lassen – aber Alexis schlug sie weg.
„Wir gehen“, entschied Alexis, mit einer Finalität, die Sam ihr nicht zugetraut hätte und noch, war sie zu wütend für Scham, zu verletzt von den Worten, von Logans Dreistigkeit, ihr das so in das Gesicht zu werfen, wo er doch nichts, absolut gar nichts über sie wusste und sie nicht kannte. Kein Stück.
Logan schob sich neben Alexis und verkörperten eine Einheit ungeahnten Ausmaßes, ohne, dass sie sich auch nur ein einziges Mal rührten.
„Ihr solltet reden“, sagte Alexis, bevor Logan und sie sich mit kurzen, verabschiedenden Worten aus dem Proberaum zurückzogen, und als Sam ihren Kopf hob und auf die Tür, die leise, aber kräftig geschlossen wurde, sah sie, dass sie mit Blake gesprochen hatte – denn dessen Augen bohrten sich längst mit einem Ausdruck in ihre, den sie deshalb nicht zu deuten wusste, weil sie ihn noch nie an ihm gesehen hatte.
Und sie waren nicht die einzigen, die sie mit intensiven Blicken traktierten. Sam fluchte und fuhr sich unwirsch durch ihre langen Haare und machte keinen Hehl daraus, dass sie sich wie der beschissenste Mensch auf Erden fühlte. Trotzdem blieb die Überzeugung gleich – nie in tausend Jahren würde sie für diesen Kotzbrocken ein Konzert eröffnen.
Nie.
Das schwor sie sich hier und jetzt.


*



Das harte Gummi ihrer Turnschuhe baumelte unangenehm, fast schmerzend, gegen ihren Oberkörper, als sie über die nächtlichen Straßen huschte und sich darum bemühte, ihre Schritte noch ein wenig mehr zu beschleunigen.
„Blake“, rief sie leise und bereut es, die ausgezogenen Turnschuhe an ihren Schnürsenkeln verknotet und über ihre Schultern gehängt zu haben, um ihren schmerzenden Füßen die letzte Wärme des Asphalts zuzuführen. Doch jetzt bohrte sich die grobkörnige Oberfläche unangenehm in ihre Sohlen und dass er sich dazu entschied, so gar nicht auf ihre Stimme zu reagieren, machte es nicht besser. Sam war müde, verstand sie, und ihr schwarzes Oberteil klebte im alten Schweiß des zu heißen Tages unangenehm an ihrem Oberkörper. Sie wollte ins Bett, wusste sie, aber erst wollte sie ihren Körper in einer einzigen Schaumblase eingehüllt in der Badewanne versinken lassen, aber das ging alles nicht, wenn sie nicht zuerst geklärt hatten, was das hier war. Sie rieb sich kurz über die Nase, durchaus ein wenig verzweifelt.
„Blake!“
Aber Blake reagierte auch hierauf nicht. Er ging einfach weiter, zügigen Schrittes, die Gitarre auf seinem Rücken und die abgenutzte Lederjacke ähnlich über seine Schulter gelegt, wie sie mit ihren Schuhen verfahren war, aber dort, wo Sam hastete, schritt Blake fahrig durch die schmalen Gehwege, vorbei an Imbissbuden und deren grellbeleuchteten Schildern, vorbei an dem kleinen Einkaufsladen an der Ecke, die zurückführte, in eine Gegend, die von gemütlicherer Wohnlichkeit durchzogen war und wegging von der lebhaften Hektik der Pubs und Schnellrestaurants.
„Blake“, flehte sie jetzt, „bitte, komm schon. Rede mit mir.“ Sam schob ein niedergeschlagenes „Man!“ hinterher und blieb stehen. Nicht zwingend außer Atem, aber mit diesem Knoten in der Brust, der sich mit jedem Schritt, den er weiterging, verdichtete, hatte sie das Gefühl, nicht mehr die Kraft zu haben, zurück zu kehren, in seine Wohnung und dort weiter zu machen, dort weiter nicht zu reden und aneinander vorbeizuleben. Sie konnten so nicht schlafen gehen. Man, Sam konnte so nicht schlafen, neben ihm, Rücken an Rücken, mit Gedanken zwischen ihnen, die eine Schlucht gruben, wo mindestens eine Brücke sein sollte, besser aber gar keine Distanz, die soetwas je notwendig werden ließ.“
„Blake, bitte, es tut mir leid“, stieß sie jetzt aus und sie merkte, wie die Tränen erneut hochkeimten, dieses Mal jedoch soweit von ihrem zornigen Ausbruch am Nachmittag entfernt, wie es nur möglich war. Hier kroch eine Angst hoch, die ständig in ihr lauerte und darauf wartete, eine Chance in ihrer Emotionalität zu finden und dann nach oben zu schlüpfen und das, was sie sich an mentaler Stabilität erkämpft hatte, wieder zu erschüttern.
Sam machte sich nichts vor; als Blake innehielt und sich umdrehte, tat er das deshalb, weil er wusste, was es war, das hier gerade mit ihr geschah, und als sie in seine Augen sah, sah sie, das er hier nur unwillig nachgab, dass er wahrscheinlich nur deshalb nachgab. Sam kam sich klein und nichtig vor und… Blake hob in einer abwartenden, aber ebenso auffordernden Geste seine Arme.
„Was willst du?“, verlangte er zu wissen und Sam wusste, dass es besser wäre, wenn sie jetzt gleich auf den Punkt käme.
„Es war nicht okay, ihn schlagen zu wollen, es ist nur-„
„Meinst du wirklich, darum geht es?“ Blake stemmte kurz die Hände in die Seite, ehe er sie aus dieser Geste wieder lockte und die Schultern hochzog, „Ich… fuck, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Sam konnte seine Regung nicht ganz deuten; sah nicht immer seinen Unterschied in Verärgerung und Wut liegen, weil Blake deutlich gemäßigter in seine Ausbrüche überging, als beispielsweise sie, in ihrer eigenen Impulsivität, die nur in Extremen funktionierte und sie auch entsprechend erschöpfte. „Logan hat es durchaus verdient, ab und an ein paar aufs Maul zu bekommen, Sam und das hat er in der Vergangenheit auch schon und es interessiert mich nicht, und es interessiert ihn auch nicht. Wie gesagt, darum geht es nicht.“
Sam ließ ihre Schultern sinken. Sie fischte in ihren Gedanken, verstand sie, weil sie sonst nicht so recht verstand, worum es hier so konkret ging, es vielleicht aber auch nicht verstehen wollte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah an sich hinunter, auf ihre Füße, die mittlerweile dreckig und etwas verschrammt waren, aber hier, an dieser Stelle zu stehen, tat deshalb gut, weil die Wärme endlich auch mal etwas Wirkung entfalten konnte. Sie streckte ihre Zehen und merkte, dass sie Zeit schindete. Sie wollte sich dem nicht stellen. Mit Blake zu streiten war einfach anders, als mit Levi aneinanderzugeraten. Oder mit Logan.
„Ich wusste von diesen Auftritten. Er hat mich angeworben. Für diese Auftritte“, betonte er, „Für diese Saison. Für die Band als Festbesetzung. Nicht, wie Janice, als Gastlösung.“
Sams Kinn hob sich und als sie ihn ansah, tat sie das nur kurz. „Das hast du mir nicht erzählt.“
„Nein. Das muss ich auch nicht.“
Sam sah wieder zu Boden und wollte widersprechen. Sie wollte, dass er es musste. Das er ihr alles erzählte, was dahingehend in seinem Leben geschah, weil sie das Gefühl hatte, dass es sie direkt tangierte, weil sie darin so dicht involviert war. Aber sie wusste, dass das nicht stimmte, dass das nicht wahr war. Und sie wollte ihn nicht ersticken, nicht derart kontrollieren, wie ihre Großmutter es ihr Leben lang getan hatte. Es wäre einfach, wusste Sam, es auch auf die Frau zu schieben, dass sie so war, wie sie war, aber-
„Es ist mir scheißegal was Logan will.“ Diese Worte ließen Sam wieder aufsehen und dieses Mal gelang es ihr, seinem Blick standzuhalten, „Logan ist bedeutungslos, wenn es um das hier geht“, Blake bezeichnete eine Geste, die sie, aber auch ihn umschrieb und als er dann weitere Worte fallen ließ, regelrecht abbrach und sich fluchend durch das Haar fuhr, begann Sam, auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Sie hasste das und sie hasste noch mehr, nicht zu wissen, wohin das hier ging.
„Logan hat dabei kein Mitspracherecht. Das wird er nie haben. Ich habe eine Entscheidung getroffen, so wie Levi und Bradley eine Entscheidung getroffen haben und du musst aufhören“, das betonte er, „uns für das Leben zu bestrafen, das wir geführt haben, bevor du Thema wurdest.“ Im Licht der Straßenlaterne sah Sam, wie etwas in Blake aufblitzte und seinen Augen eine Leidenschaft gab, die sie mit absoluter Ehrlichkeit erreichte. Er kam langsam den Weg zurück zu ihr und ließ seinen Blick über die leicht befahrene Straße abdriften, ohne die Autos tatsächlich anzusehen, aber er ließ sich davon nicht aufhalten, und als Blake stehen blieb, blieb er so dicht vor Sam stehen, dass seine Präsenz in diesem überwältigendem Ausmaß auf sie hereinprasselte, die sie immer noch überraschte; sie immer noch ihre Gefühle erkunden ließ, die sie für ihn hatte, weil sie nie so empfunden hatte und in ihrem eigenen, kleinen Universum das intuitive Gefühl nicht loswürde, dass dieses Gefühl einen Menschen nur einmal im Leben erreichen konnte.
„Ich liebe dich.“
Sam schluckte.
„Ich will dich.“
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und als er sie mit sanfter, aber klarer Bestimmtheit so dazu brachte, ihn anzusehen, durchdrang sein Blau sie mit Vehemenz, die einschlug und eine Übelkeit in ihrer Magengegend heraufbeschwor, die ihre Kehle zuschnürte. Verdammt. Alles, nur nicht das. Wenn er sie so ansah, dann – Sam schluckte erneut und schloss für einen Augenblick die Lider, um sich zu sammeln.
„Und ich habe mich nicht nur für dich, sondern auch für Fury entschieden. Ich kann und will es nicht ständig sagen und das muss dir reichen. Ich habe dir nie Gründe gegeben, an mir zu zweifeln oder mir zu misstrauen. Levi hat das nicht. Bradley hat das auch nicht. Du kannst mir vertrauen, aber Sam“, und jetzt wurden seine Augen ernst, „du musst es auch. Wenn du willst, dass es für Fury weitergeht, musst du. Unsere Mühen sind nichts wert und sie bringen uns nirgendwohin, wenn du das, was wir uns aufzubauen versuchen, jedes Mal sabotierst, nur, weil du nicht darüber hinwegkommst, dass mit Logan und Alexis ernstzunehmende Konkurrenz da ist.“
„Es tut mir leid“, wisperte Sam, die wusste, was für eine Wahrheit in Blakes Worten lag, aber Blake war noch nicht fertig. Sein Daumen streichelte über ihre Wange und Sam hob ihre Hände an, um sie um seine Handgelenke zu legen, doch es war keine Geste, mit der sie ihn wegzudrücken versuchte. Sie hielt sich daran fest, an ihm, an dem Nietenarmband und dessen, was er für sie verkörperte.
„Konkurrenz ist wichtig. Sie ist nicht da, um geschlagen zu werden, aber es ist wichtig, sich mit ihr in denselben Gewässern zu behaupten. Du hast uns diese Chance weggenommen heute und die Chance kommt nicht wieder. Nicht diesen Sommer.“
Jetzt schloss Sam die Augen. Sie hasste es, das er recht hatte und so sehr sie die Wahrheit eigentlich nicht sehen wollte, sah Sam sie natürlich trotzdem, denn dafür sorgte Blake durch seine Nähe, durch seine Worte und dadurch, wie er sie sagte, verankerte er sie in ihr und sie drohten, sie niederzureißen, auf den Grund ihrer eigenen Gedanken und das war kein Ort, an dem sie hinwollte, nicht jetzt.
„Aber wir brauchen ihn nicht“, flüsterte sie zurück und als Sam ihre Wimpern aufschlug, suchte sie Verständnis in seinen Augen. „Wir können es auch ohne ihn, Blake. Warum… warum sollten wir auf so ein Angebot eingehen? Es muss doch auch anders gehen. Es geht auch anders.“
„Egal, von wem sie gekommen ist – es war eine Chance. Und du hättest sie nicht ausschlagen dürfen. Nicht, bis wir es als Gruppe nicht besprochen hätten. Das wirft uns ein Jahr zurück. Du hättest nicht alleine entscheiden dürfen, dass dir die Unabhängigkeit zu ihnen das wert ist.“
Sam wollte noch etwas sagen, aber ihre Gedanken ließen sich keinesfalls mit ihren Emotionen verbinden; nicht jetzt und deswegen nickte Sam nur matt, fast abwesend und erst, als Blake sich vorbeugte und sie auf die Stirn küsste, erwachte sie aus ihrer Abwesenheit. Sie zog sich in seine Arme und genoss die Wärme, die sich um sie legte, als Sam seine Arme um ihren Körper spürte. Sie wollte nicht mehr nachdenken und sie wollte vor allem nicht mehr darüber sprechen, das merkte sie.
„Ich habe Hunger“, murmelte sie an den Stoff seines Shirts und sie spürte, wie sein Atem leicht durch ihr Haar fuhr, als er auflachte. „Lass uns lieber schnell noch was holen. Hier irgendwo“, Sam gestikulierte zu ihrer Seite; dort, wo sie schon zu viele einfache Möglichkeiten passiert hatten, an ein schnelles Abendessen zu kommen.
„Nein“, widersprach Blake und als er sich von ihr löste, war sein Blick liebevoll, aber seine Gesichtszüge sprachen Bände. Sam wollte zu schwachem Protest ansetzen, aber- „Vergiss es. Wir kochen. Es wird Zeit, das wir was Anständiges in dich reinbekommen.“
Sam lächelte ergeben.
„Okay. Vielleicht sind Pommes sieben Tage die Woche jeden Abend nicht die beste Lösung“, gab sie zu und verflocht ihre Hand mit Blakes, als sie sich voneinander lösten, und den Heimweg endgültig antraten.
„Wir fangen auch leicht an. Versprochen“, zwinkerte er.
Sam wollte protestieren, wie sie es an dieser Stelle immer tat, das sie durchaus kochen konnte. Dann könnte Blake erwähnen, dass er das immer hören würde, sich das aber erst noch bestätigen müsste und dann könnte sie sich über sein mangelndes Vertrauen beschweren, spielerisch, und dann würde er lachen und mit einem Mal wieder jünger wirken, als er war. Doch Sam war nicht zum Scherzen zumute und als sie nach Links abbogen, um das Viertel zu verlassen, waren ihre Gedanken nicht hier, bei Blake, der Wärme seiner Hand und dem Schweigen, das kein ungemütliches war, sondern im wirbelnden Sog ihrer eigenen Gedanken.
Und Logans Gesicht wollte dort nicht verblassen, egal, wie sehr sie ihn zu vertreiben versuchte.


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Verfasst: Sa 12. Aug 2017, 09:22 


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